Gefangene Seele
keine Lust, auf den Bus zu warten, der sie zum Flughafengebäude bringen sollte. Aber er musste sich an die Regeln halten, und die kleine Maschine hatte keine Landeposition erhalten, die direkt am Terminal lag.
Bis er endlich sein Gepäck holen konnte, war es zwei Uhr morgens. Er ging an den geschlossenen Geschäften vorbei zu der Gepäckausgabe. Es kam ihm vor, als marschiere er durch eine Geisterstadt. Der Regen, der gegen die großen Scheiben prasselte, machte die Szene noch düsterer. Er überlegte, ob er Jade anrufen sollte, nur um ihre Stimme zu hören. Dann schalt er sich, weil sein Gedanke so egoistisch war. Das, was er ihr sagen wollte, hatte auch bis zum nächsten Morgen Zeit. Es war kurz vor drei Uhr, als er endlich sein Gepäck und den Wagen aus der Tiefgarage geholt hatte. Auch wenn er sehr müde war, war Luke froh, endlich wieder selbst seinen Wagen zu fahren.
Auf der Fahrt nach Hause waren die regennassen Straßen leer. Obwohl es immer noch nieselte, schien der Regen weniger geworden zu sein. Er schaute kurz gen Osten, als er um eine Ecke bog. Der schlimmste Sturm war vorüber. Erst, als er nach seinem Haus Ausschau hielt, fiel ihm auf, dass er nicht nach Hause, sondern zu Sam gefahren war. Er fluchte leise in sich hinein, aber Luke wusste, dass es sein Instinkt war, der ihn hierher gelenkt hatte. Auf seinem Heimweg von Alaska hatte er an nichts anderes, als an Jade gedacht. Und nun stand er direkt vor ihrem Haus.
“Lieber Gott”, murmelte er, und er erlaubte sich, für einen Moment die Augen zu schließen. Er war so müde. Er wollte einfach nur noch ins Bett.
Plötzlich klingelte sein Telefon. Er erschrak. Er war eingeschlafen. Im ersten Moment glaubte er, ein Hupen gehört zu haben, und hatte die Vision, dass ein Wagen mit hellen Scheinwerfern direkt auf ihn zukam. Zu seiner Erleichterung stand der Wagen ihm gegenüber noch, und dann erst bemerkte er, dass sein Telefon klingelte. Er suchte in seiner Tasche danach. Ohne auf die Nummer des Anrufers zu achten, klappte er es auf.
“Hallo?”
“Liebling …”
Er setzte sich aufrecht hin.
“Jade? Bist du das?”
“Erinnerst du dich daran, als du einmal gesagt hast, dass ich es eines Tages merken würde, wenn ich wieder ganz gesund sei? Und wenn das passierte, dass ich dich dann anrufen sollte?”
Luke hielt den Atem an. In all den letzten Monaten hatte er befürchtet, dass dies nie passieren würde.
“Ja, daran erinnere ich mich”, sagte er und legte den Gang ein.
“Ja, also … deswegen rufe ich dich jetzt an. Ich vermisse dich, Luke Kelly, und ich bin völlig in dich verliebt, und obwohl ich jetzt sehr gut alleine klarkomme und alleine schlafen kann, habe ich herausgefunden, dass ich das gar nicht gern mag.”
Luke fuhr bis zum eisernen Tor, dann bremste er ab.
“Nun, wenn du das Tor aufmachst, dann können wir irgendwo darüber sprechen, wo es nicht so feucht ist.”
Es war einen Augenblick lang still, während Jade überlegte, was er damit meinte, dann hörte er einen vergnügten Seufzer.
“Bist du hier? Ich meine, bist du draußen vor dem Tor? Du bist nicht mehr in Alaska?”
“Nein. Und überhaupt, als ich in Alaska war, haben wir nicht telefoniert. Und nur, damit du Bescheid weißt: Ich fahre nie wieder ohne dich so weit weg. Also, lässt du mich herein? Ich warne dich, ich bin gerade schon einmal hier im Auto eingeschlafen. Wenn du mich also hier draußen warten lässt, dann musst du Velma Bescheid sagen, dass sie eine Extraportion Eier fürs Frühstück zubereitet, denn ich werde zum Frühstück da sein.”
“Einen Moment!”, rief Jade. “Ich weiß nicht, wie man die Alarmanlage abschaltet, ich muss Sam wecken.”
Luke verzog das Gesicht. Tolle Idee, seinen zukünftigen Schwiegervater zu wecken, nur damit man zusammen ins Bett gehen konnte. Er hörte, wie Jade den Hörer beiseite legte und aus dem Zimmer lief. Dann war es still.
Geräuschlos schwangen die beiden Flügel des Tores zur Seite. Er legte den ersten Gang ein und fuhr auf das Grundstück. Innerhalb von Sekunden fuhr er vor das Haus, während sich das Tor hinter ihm wieder schloss. Bevor er ausgestiegen war, gingen draußen die Lichter an, und er sah, wie Jade auf ihn zugelaufen kam. Sie trug einen langen weißen Morgenmantel und darunter etwas Blaues. Sie war barfuß und ihre Haare waren zerzaust, als sie die Treppen der vorderen Veranda heruntersprang.
Lachend stieg Luke aus dem Auto und kam ihr entgegen. Sie warf sich ihm in die Arme, und er
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