Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
Vom Netzwerk:
durchstehen zu müssen. Dann wurde ihr klar, dass es keinen Unterschied machte. Raphael war gestorben, weil er versucht hatte, sie zu beschützen – dessen war sie sich sicher. Wenn es den Mörder vor Gericht brachte, dann musste sie sich jetzt eben dieser erniedrigenden Situation aussetzen. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.
    Mit zitternden Händen gab sie Earl den Karton.
    Als er ihn öffnete, hatte er alles Mögliche erwartet außer Dutzenden von Zeichnungen. Er blätterte sie durch. Wer auch immer sie gezeichnet hatte, hatte Talent, aber er verstand nicht, was sie ihm damit sagen wollte.
    “Die sind hübsch”, sagte er. “Sind Sie die Künstlerin?”
    Jade sah ihn an. “Wie bitte?”
    “Sind das Ihre Arbeiten? Haben Sie die gemalt?”
    Sie schaute kurz zu Sam hoch, dann sah sie weg.
    “Ja, aber ich bin auch das Opfer.”
    Earl lehnte sich vor. Jetzt ging es voran. “Opfer”, dieses Wort hatte er verstanden.
    “Was meinen Sie damit, Miss Cochrane?”
    “Diese Gesichter … es sind einige von den … Onkels, … aber nicht alle, verstehen Sie. Das sind nur die Männer, an die ich mich erinnern kann.”
    Ihr Finger zitterte, als sie auf den Stapel Blätter deutete, den Earl Walters in den Händen hielt. “Das sind diejenigen, die gelächelt haben. Das waren die, denen es Spaß gemacht hat, mir wehzutun.”
    Antonia DiMatto bemühte sich, so gut es ging ihren Schock zu verbergen. Jetzt verstand sie auch, warum Jade so viele Gedächtnislücken hatte und warum sie sich so schwer tat, jemandem zu vertrauen.
    Earl starrte die Zeichnungen an, dann sie.
    “Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.”
    Jade seufzte. “Es tut mir leid. Es ist nicht leicht, darüber zu reden.”
    “Erzählen Sie es uns trotzdem”, ermunterte sie Antonia. “Wenn Sie wollen, dass Sie wieder gesund werden, erzählen Sie es uns.”
    Sam setzte sich auf das andere Ende des Bettes. Jetzt war Jade von Menschen umgeben. Luke auf der einen Seite, Antonia DiMatto auf der anderen, Sam in ihrem Rücken und Earl Walters vor ihr auf dem Stuhl. Aber anstatt sich unwohl zu fühlen, breitete sich in ihr ein Gefühl der Sicherheit aus. Dann berührte Sam sie an der Schulter.
    “Süße, sieh mich an”, sagte er.
    “Ich kann nicht”, flüsterte Jade.
    “Es ist okay”, erwiderte er. “Ich weiß es.”
    Sie holte tief Luft und sah Luke an, als habe er sie hintergangen.
    “Ich habe es ihm erst erzählt, als sie Raphael getötet haben”, sagte er. “Er musste es wissen, Süße. Und du warst nicht in der Verfassung, dass ich dich um Erlaubnis bitten konnte.”
    Sie drehte sich unsicher zu Sam um.
    Er nahm ihre Hände und hob sie zu seinen Lippen.
    “Du musst keine Angst haben, du kannst mir alles erzählen. Ich liebe dich. Daran wird sich nie etwas ändern.”
    Jade ließ vor Erleichterung die Schultern fallen. “Ich habe versucht wegzukommen”, sagte sie. “Ich habe um mich getreten und gebettelt, sie mögen aufhören. Sie haben es nie getan.”
    “Ich weiß, Darling, ich weiß. Es war nicht deine Schuld. Du konntest nichts dafür.”
    Earl räusperte sich. “Hallo, Leute. Ich bin auch noch da, und ich hätte gerne gewusst, worum es hier geht.”
    “Sag es ihm, Süße”, sagte Luke. “Je mehr du darüber sprichst, desto leichter wird es dir fallen.”
    “Aber dann wissen es alle”, sagte Jade.
    “Die anderen interessieren uns nicht”, beharrte Luke. “Die Menschen, die dich kennen … die Menschen, die dich lieben, werden dich nicht weniger mögen oder dich verurteilen. Hast du das verstanden?”
    Sie seufzte und nickte. Dann sah sie Earl an und deutete auf die Zeichnungen.
    “Ein Mann namens Solomon war der Guru einer Sekte, People of Joy. Ich habe mit ihnen zusammengelebt, seitdem mich meine Mutter fortnahm, bis ich zwölf Jahre alt war. Meine Mutter starb zwei Jahre, nachdem sie mit mir von hier weggelaufen ist. Ich glaube, ich muss so um die sechs Jahre alt gewesen sein, als es passiert ist, aber ich bin mir nicht sicher. Die Jahre sind irgendwie verschwommen.”
    Earl nickte, um sie zum Weitererzählen zu ermutigen.
    “Ungefähr eine Woche, nachdem meine Mutter gestorben war … das wusste ich viele Jahre lang nicht, bis eine Frau aus der Sekte sich verplappert hatte. Es hieß, sie sei weggelaufen und hätte mich allein gelassen, so, wie sie Sam allein gelassen hatte. Jedenfalls hat mich Solomon eines Abends aus meinem Bett geholt und mich den Flur hinunter in den lilafarbenen Raum getragen. Dann hat er mich auf dieses

Weitere Kostenlose Bücher