Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Verbindungen dauerhaft geschädigt sind. Vielleicht ist es angeboren.“ Amara ließ die Hände wieder sinken. „Vielleicht bin ich aber auch erst durch Silentium so geworden. Es spielt keine Rolle. Ich habe unübersehbare psychopathische Tendenzen. Das kann man nicht heilen.“
„Was ist mit Keenan? Ist er vor dir sicher?“
Schatten verdunkelten die blauen Augen. „Diese neuen Gedanken … Sie halten mich davon ab, ein Kind umzubringen, das ich selbst zur Welt gebracht habe.“ Amara schüttelte den Kopf. „Aber du darfst mir nicht trauen. Das könnte sich auch wieder ändern.“
„Meine DNA ist dieselbe wie deine“, Amara ließ nicht locker, denn sie hatte begriffen, dass Amara auf ihren eigenen Tod hinarbeitete. „Wir sind gleich aufgewachsen.“
„Ich kann nicht gut werden, große Schwester. Mehr als dieses Zugeständnis werde ich wahrscheinlich nie machen können.“ Dann schwieg Amara. Mehr gab es nicht zu sagen. So sahen nun einmal die Fakten aus. Wenn Amara lebte, würde sie weiter Böses tun. Aber sie töten? Ashaya wusste nicht mehr weiter und wandte sich an Dorian. „Was mache ich bloß?“
Dorian hatte einmal geglaubt, nichts könne die kühle wissenschaftliche Schale von Ashaya durchdringen. Inzwischen war er auf vielfältige Weise eines Besseren belehrt worden – doch ihre Verbindung zu Amara konnte sie zerstören. „Kannst du sie kontrollieren?“
Ashaya schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Das stimmt nicht, Ashaya.“ Amara hob eine Augenbraue. „Wenn ich dir gestatte, eine Kontrollverbindung aufzubauen, kannst du es.“
„Hat sie recht, Shaya?“
Ashayas Finger streiften seine Hand, als sie an seine Seite trat. „Ja. Keine Gedankenkontrolle, aber …“
„… eine Leine“, vervollständigte Amara. „Lang genug, damit ich mir einbilden kann, ich sei frei, und kurz genug, um mich von Dingen abzuhalten, die gegen das Gewissen meiner Zwillingsschwester sprechen würden.“
„Würde es dir schaden?“, fragte er Ashaya.
„Nein.“ Ihre Finger verschränkten sich mit seinen. „Das Zwillingsband existiert, ganz egal, ob wir es nun mögen oder nicht. Wenn Amara mich so tief in ihren Geist lässt, werde ich sie beeinflussen können. Sie könnte nicht mehr in meinen Geist eindringen, aber ich könnte sie mit ihrer Zustimmung überwachen.“
„Du wärest dein Leben lang ihre Hüterin.“
Ashaya sah ihn an. „Nun habe ich ja Hilfe. Ich habe dich.“
Der Leopard knurrte vor Freude. „Schön, dass du das endlich einsiehst.“
„Amara ist im Sternennetz“, sagte Lucas zu Sascha, als sie vor dem Krankenhaus standen. „Was bedeutet das für uns?“
Sascha lehnte sich an die Mauer vor dem gepflegten Rasenstück. „Das Dunkle ist jetzt in unserem Netzwerk.“
„Wie werden wir es bekämpfen?“
„Überhaupt nicht.“ Sie dachte an die Zeit, als Faith in ihr Leben getreten war und sie von dem Dunklen Kopf erfahren hatte. „Amara trägt diesen Makel in sich, aber sie existiert nun einmal. Sie ist ein Teil der Welt. Wir werden sie beobachten, werden lernen, mit ihr umzugehen, aber wir werden ihren Geist nicht einsperren. Denn wenn wir das tun, pflanzen wir den Samen für eine Spaltung in unserem eigenen Netz.“
„Das gefällt mir nicht.“ Aus Lucas sprach das Alphatier. „Durch ihre Verbindung zu Ashaya könnte sie in uns eindringen, dich beeinflussen und auch Faith – jeden von uns, zum Teufel noch mal.“
„Nein“, sagte Sascha, die Stunden damit zugebracht hatte, die Situation von allen Seiten her zu beleuchten. Faith und sie waren sich einig. „Die Verbindung lässt das nicht zu.“
„Aber warum denn nicht? Sie ist doch im Sternennetz.“
„Betrachte es wie ein mathematisches Problem.“ Sascha nahm den Organizer aus der Tasche ihres leichten Sommermantels und griff nach dem Laserstift. „Als erstes haben wir da das große Ganze – unser Sternennetz.“ Sie zeichnete einen Kreis und setzte die Mitglieder ein: Lucas in die Mitte, sich selbst von ihm umschlossen und die Strahlen zu den Wächtern, von denen wieder andere zu ihren Gefährtinnen führten.
„Ashaya ist durch das Band zu ihrem Gefährten mit dem Sternennetz verbunden.“ Sie zog die Verbindung von Dorian zu der M-Medialen. „Unser Netzwerk ist anders als das Medialnet. Wir kennen nur zwei Möglichkeiten, um hineinzugelangen: Verschmelzung oder Blutschwur.“
„Keenan“, sagte Lucas und runzelte die Stirn. „Dorian hat erzählt, er habe eine Wunde an der Hand gehabt, und die Haut an den
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