Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
unterdrückte Zorn in ihren Worten kratzte wie Krallen auf seiner Haut. „Aber sie war auch eine Rebellin. Als man es entdeckte, versuchte sie zu fliehen. Man verfolgte sie und brachte sie wie ein wildes Tier zur Strecke.“
Ein weiteres Puzzleteil von Ashaya Aleine fand seinen Platz. „Das tut mir leid.“
„Warum?“ Eine kühle Frage, die aber eine fast kindliche Verständnislosigkeit enthielt. „Was hat meine Verbundenheit mit Iliana mit dir zu tun? Du hast doch gar keine Verbindung zu ihr gehabt.“
„Aber sie bedeutet dir etwas.“
„Wir haben doch aber auch keine Verbindung.“ Argwohn stand in ihren Augen.
Er war ein verdammter Vollidiot gewesen, dachte er wütend. Ashaya war vielleicht nicht so offen und warmherzig wie Sascha, aber sie war auch keine Bestie. Ihre Mutter war ihr wichtig, und sie liebte ihren Sohn. Das allein wog eine Menge anderer Dinge auf.
Ich habe mich mein Leben lang vor einen Psychopathen gestellt, hatte sie gesagt.
Sie würden noch zu diesem Thema kommen, dachte er grimmig. Er würde sich nicht mehr von der blutigen Vergangenheit ablenken lassen. „Wirklich nicht.“ Schnell, wie es seiner Art entsprach, kniete er neben ihr. Sie bewegte sich nicht, als er die festen Zöpfe löste, die sie sich immer flocht. Nur wenige Minuten später kräuselte sich das Haar wild um ihren Kopf. Es war nur knapp schulterlang, aber so lockig und schön, dass das Tier in ihm völlig gebannt war.
Er fuhr mit den Händen durch die wilde Pracht und hob ihren Kopf, um in die kristallklaren Augen zu blicken. „Wirklich nicht?“, sagte er noch einmal, diesmal war es eine Frage. „Sag schon.“ Es lag in der Natur der Katze, besitzergreifend zu sein. Dem Mann ging es genauso. Beide hatten sie Ashaya ihr Zeichen aufgedrückt.
„Was möchtest du denn hören?“ Sie forderte seine Raubtierseele heraus.
Er knurrte tief unten in der Kehle und übersetzte es mit seinen menschlichen Stimmbändern. „Die Wahrheit.“
Sie starrte ihn ein paar Sekunden lang an. „So etwas wie dich habe ich noch nie erlebt. Du faszinierst mich, und ich weiß, du wirst diese Schwäche ausnutzen.“
„Zu viel Ehrlichkeit kann gefährlich sein.“ Er beugte den Kopf und zog sie noch mehr nach hinten, ihre Haare sandten elektrische Stöße durch seine Finger. Mein Gott, er würde alle möglichen erotischen Träume von diesen Haaren haben.
„Aber“, flüsterte er an ihrem Mund, „es könnte sich auch lohnen.“ Wenn er sie jetzt auf den Mund küsste, würde er nicht mehr aufhören, deshalb strich er mit den Lippen nur kurz über ihre angespannten Halsmuskeln. Sie atmete tief ein. Er konnte nicht mehr widerstehen und streifte ihren Hals mit den Zähnen. Sie war nur ein wenig erschrocken, aber er spürte es sofort. Er schmiegte den Kopf an ihren Hals. „Ich werd dir nicht wehtun.“
Ihre Hand klammerte sich an seiner Schulter fest. „Du hast mich angeschrien. Hast gesagt, ich würde auf Psychopathen abfahren.“
Daran wollte er jetzt nicht denken, wollte nicht überlegen, welche Grenzen er in diesem Augenblick unwiderruflich überschritt … welchen Verrat er beging. Kylies Gedenken gegenüber, seinen eigenen Racheschwüren – die Medialen zu vernichten, sich von dieser Frau fernzuhalten, die sich immer noch als Feind entpuppen konnte.
In diesem Moment war er nur ein Mann und sie eine Frau, ein Liebestrank für ihn ganz persönlich. „Deshalb kann ich mir doch einen Bissen erlauben.“ Er schloss seine Zähne spielerisch um ihre Halsschlagader.
Sie erschauderte. „Ich begreife dich nicht.“
„Dein Körper schon.“ Er spürte ihren schnellen Herzschlag unter seinen Lippen. „Fühlt es sich denn schlecht an?“
Diese eindeutige Frage war genau das, was sie gebraucht hatte. „Nein. Die Empfindungen sind … lustvoll. Aber es ist gefährlich. Ich bin im Medialnet.“
Mit gerunzelter Stirn sah er auf. „Und dich hat noch niemand entdeckt?“ Irgendetwas stimmte daran ganz und gar nicht.
Bevor sie antworten konnte, hörte er ein Geräusch.
Der Leopard legte sich auf die Lauer.
23
Ich habe ihn getroffen – diesen Scharfschützen … Dorian. Er verwirrt mich ganz tief in meinem Inneren. In mir sitzt die irrationale Angst, er könnte Macht über mich gewinnen, wenn ich nicht vorsichtig bin. Doch ein Teil von mir möchte dieses Risiko eingehen. Ein Teil von mir möchte sich mit dem Leoparden einlassen, der direkt unter seiner menschlichen Haut sitzt.
– aus den verschlüsselten Aufzeichnungen Ashaya
Weitere Kostenlose Bücher