Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
nicht Gewalt anwenden, um dich zu halten – du hast es für Keenan getan.“
„Ja. Aber sie haben keine Ahnung, was Liebe ist.“
Er fuhr mit dem Wagen in das weit offen stehende Eingangstor eines Lagerhauses. Hinter ihnen schloss es sich sofort wieder. Innerhalb von zwei Minuten würden auf der Straße Marktstände stehen, die frische Waren und Andenken verkauften.
Einmal war Aaron so blöd gewesen, einen Stand mit diesen Roboterhunden aufzustellen, die Dorian wahnsinnig machten. Diesen Fehler hatte der junge Mann nicht noch einmal begangen. Er war ziemlich gut in seinem Job geworden. Niemand vermutete einen Soldaten der DarkRiver-Leoparden bei seinem Anblick. Alle sahen nur einen schlanken asiatischen Jugendlichen, der mit einem zähen Lächeln hart verhandelte. Dabei fiel Dorian etwas ein – er musste unbedingt mit Lucas über Aaron sprechen. Es war Zeit, dass der Junge in der Hierarchie der Sicherheitsleute aufstieg.
„Zie Zen“, sagte Ashaya und starrte durch die Windschutzscheibe den Mann an, der in der Mitte der Lagerhalle auf einem Stuhl saß und sich auf einen Stock stützte.
In der Halle waren noch andere Leoparden, doch niemand stand bei Zie Zen. Sein Gesicht war scharf geschnitten, das Alter hatte tiefe Furchen hineingegraben, aber er wirkte nicht zerbrechlich. Stattdessen lag der Ausdruck stählerner Strenge in seinem Blick. Dorian ertappte sich dabei, dass er dem Mann abschätzende Blicke zuwarf und als würdigen, aber viel zu alten Gegner einstufte. „Den hast du als Vater für dein Kind ausgesucht? Warum?“
Ashayas Hand lag auf dem Türgriff. „Es ist anders als bei den Gestaltwandlern und hat nichts mit Sex zu tun. Zie Zen hatte einfach die besten Gene.“
„Warte“, sagte er, als sie aussteigen wollte. „Unseren Quellen nach ist er ein mächtiger Mann – warum hat er dann zugelassen, dass sie sich Keenan holten?“
Ihre Hand schloss sich fester um den Türgriff. „Zie Zen hat noch andere biologische Nachkommen – sich gegen den Rat zu wenden, weil er eine ‚spezielle Ausbildung‘ für ein einzelnes Kind angeordnet hatte, das nicht einmal über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten verfügte und für das er nicht das Sorgerecht hatte, hätte sie hellhörig gemacht.“
„Lass mich raten – ein wahrer Medialer hätte das Kind als schlechte Investition abgeschrieben.“
Sie nickte. „Dennoch hat seine Stellung dazu geführt, dass sie vorsichtig vorgingen – sie wollten sich ihn nicht zum Feind machen, mögliche Schwierigkeiten von vornherein ausschließen, indem sie ihm bestimmte Rechte und Mitsprache bei der Erziehung einräumten, außerdem durfte ich Keenan auf Zie Zens Bitte hin weiter unterrichten.“
„Aber falls er mehr gefordert hätte“, sagte Dorian, dem klar wurde, auf welch dünnem Seil sie balanciert hatten, „wäre der Rat vielleicht misstrauisch geworden und hätte bei seinen Nachforschungen die Rebellenaktivitäten entdeckt.“ Damit wäre Keenan ihnen ausgeliefert gewesen.
„Ja.“ Ashaya stieg aus und ging zu dem Mann, der in der Gesellschaft der Gestaltwandler ihr Gefährte gewesen wäre.
Dorian gefiel das nicht. Er biss die Zähne zusammen, schob die Fahrertür hoch und stand fast gleichzeitig mit Ashaya vor Zie Zen.
„Was tust du hier?“, fragte sie den Medialen, ohne ihn zu berührten oder auf andere Weise einen direkten Kontakt herzustellen.
Zie Zen stemmte sich auf den Stock und stand auf. „Ich habe Informationen für dich.“ Er sah Dorian an. „Vertrauliche.“
„Moment.“ Dorian rief den anderen zu, sie sollten die Lagerhalle verlassen. Als er sich wieder umdrehte, sah Zie Zen ihn fragend an. „Ich bleibe.“
Der Mediale blickte ihm einige Sekunden fest in die Augen und nickte dann. „Sie haben starke Schilde.“
Dorian fragte sich, ob ihn der alte Mann wütend machen wollte, indem er andeutete, er hätte versucht, ihn mit der Kraft seiner Gedanken zu überzeugen. Mediale waren mehr als bereit, die gefühlsmäßige „Schwäche“ der anderen Gattungen auszunutzen. Doch statt zornig zu werden, kreuzte er nur die Arme vor der Brust und zuckte die Achseln. „Glück gehabt. Nun reden Sie schon. Wir haben nicht viel Zeit. Dieser Ort ist im Augenblick sicher. Aber das wird nicht ewig so sein.“ Chinatown war als Treffpunkt sicherer als andere Teile der Stadt, aber die SnowDancer-Wölfe hatten kürzlich erst festgestellt, dass auch dort, wo man es zuletzt erwartet hätte, Spione lauerten.
Ashaya warf ihm einen strafenden Blick
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