Gefechte der Leidenschaft
olivfarben wie bei vielen Männern, die sie kannte, sondern wies den gesunden Bronzeton eines Mannes auf, der sich nicht um Konventionen scherte, wonach ein Gentleman niemals den Eindruck erwecken durfte, er habe in der Sonne gearbeitet. Er hatte eine klassisch gerade Nase, ein kantiges Kinn und einen klar gezeichneten Mund, dessen geschwungene Winkel ihm einen leicht belustigten Ausdruck verliehen. Dichte, gerade Brauen und dunkle Wimpern umrahmten seine Augen, die im flackernden Licht des reich verzierten Kerzenleuchters auf dem Nachttisch so blau und abgrundtief schienen wie der Golf von Mexiko. Diese Augen zeugten von einer scharfen Intelligenz, mit der er ihre verzweifelte List ebenso leicht durchschauen würde, wie er es schaffte, sie aus der Fassung zu bringen.
Dieser Mann, dieser Degenkämpfer, hatte sie geküsst. Durch die kleine romantische Geste, mit der er seine Lippen auf die ihren gepresst hatte, war sie zu sich gekommen. Bei der bloßen Erinnerung daran begannen ihre Lippen zu kribbeln. Die Empfindung setzte sich wie eine kraftvolle Welle durch ihren ganzen Körper fort und ihr kam der Gedanke, dass er nicht so gefühllos sein konnte, wie er sich gab. Sie durfte also noch hoffen.
»Und wenn Sie eine Bleibe gefunden haben?«
»Dann möchte ich, dass Sie dafür sorgen, dass mir nichts geschieht.«
»Sie brauchen also einen Leibwächter.«
»In gewisser Weise«, erwiderte sie, krampfhaft bemüht, ihr Ansinnen so normal wie möglich erscheinen zu lassen.
»Was ist mit Ihrem guten Namen?«, fragte er. »Man hat mich erst kürzlich daran erinnert, dass er in meiner Gesellschaft in Gefahr ist.«
»Solange kein Unheil droht, muss ja niemand wissen,
dass Sie mir zur Seite stehen. Ich erwarte natürlich nicht, dass Sie ständig um mich herumscharwenzeln.«
»Mit anderen Worten«, sagte er gedehnt, »Sie möchten nicht, dass jemand von unserer Bekanntschaft erfährt.«
Ihr Gesicht glühte jetzt beinahe. »Ich wollte Sie nicht kränken und hatte nur Ihre Bequemlichkeit im Sinn. Und, nun ja, die Schicklichkeit natürlich auch.«
»Natürlich.« Seine Lippen kräuselten sich kurz, bevor er weitersprach. »Sie haben doch ein nettes Zuhause bei der Familie Ihres Mannes. Was treibt Sie zu einem solchen Schritt?«
»Vieles, was Sie nicht zu kümmern braucht, Monsieur O’Neill.«
»Sie verlangen von mir, dass ich Sie beschütze, ohne zu wissen, welche Art von Gefahr Ihnen droht? «
»Ich bin gar nicht sicher, dass diese Gefahr noch besteht, wenn ich erst einmal allein lebe«, erklärte sie und setzte sich ein wenig aufrechter hin, als wolle sie sich gegen eine drohende Absage wappnen.
»Ich bin kein junges Mädchen mehr und verfüge über ausreichende Mittel, einen eigenen Haushalt zu bestreiten. Warum sollte ich es nicht Madame Herriot gleichtun und mich unabhängig machen?«
»Madame Herriot ist mindestens zehn Jahre älter als Sie und hat viel mehr Lebenserfahrung. Außerdem wohnte eine ältliche Cousine bis zu deren Tod im vergangenen Winter bei ihr, was dazu beitrug, ihren guten Ruf zu wahren.«
»Eine Gefährtin ist keine Anstandsdame«, widersprach Lisette heftig. »Und was das Übrige angeht, älter werde ich von allein und Erfahrung kann ich auch sammeln.«
»Aber vielleicht erst, nachdem Sie schon irgend eine Dummheit begangen und sich dadurch in der guten Gesellschaft unmöglich gemacht haben.«
»Wie können Sie nur so etwas sagen! So leichtsinnig bin ich nicht.«
»Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass Sie irgendwelche Männer darum bitten, auf Sie aufzupassen.«
»Ich habe nur einen Mann gebeten und den habe ich sorgfältig ausgewählt.« Als sie sich ein wenig vorbeugte, verrutschte die Decke.
Sein Gesicht wurde ausdruckslos. »Und dieser Mann bin ich?«
»Ja, das sind Sie — oder vielmehr das waren Sie, bevor sie sich so ungefällig gezeigt haben.«
Caid drehte ihr so abrupt den Rücken zu, dass die Schöße seines grauen Gehrocks nur so flogen. Lisette starrte auf seinen Rücken, die breiten Schultern, den Oberkörper, der in einer schmalen Taille auslief, das rabenschwarze Haar, das sich, kürzer geschnitten, als es die Mode verlangte, auf seinem Rockkragen kräuselte, seine langen Beine, die noch länger wirkten, weil die Hosen durch Stege unter den polierten Halbstiefeln stramm gezogen wurden. Gefühle wallten in ihr auf, die ihr ihre Weiblichkeit bewusst machten, und plötzlich fiel ihr ein, dass sie beide als Einzige in dem schlafenden Haus wach waren und wie wenig sie
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