Gefechte der Leidenschaft
Zigarre. Alles war still. Nur aus dem separaten Küchenhaus drangen Geräusche, die verrieten, dass dort das restliche Geschirr vom Abendessen abgewaschen wurde. Dann und wann erklang der Ruf eines Nachtvogels und im Hühnerhof bei den Sklavenquartieren krähte krächzend und schläfrig ein Hahn. Von seinem Standort unter einer der immergrünen Eichen aus beobachtete Caid, wie das Küchenmädchen das schmutzige Spülwasser weggoss, die Küche abschloss und dann mit müden Schritten davon ging. Er sah, wie sich Maurelles Gäste zu ihren Zimmern begaben, wobei sich ihre Nachtlichter die Galerie entlang bewegten, bis die Lampen in den einzelnen Räumen hinter den geschlossenen Jalousien nach und nach erloschen.
Agatha Stilton hatte den Salon verlassen, sobald sie von Lisettes Kopfschmerzen hörte, und so wurde ihre Lampe als eine der ersten gelöscht. Im Zimmer nebenan brannte Lisettes Licht noch immer hell, nachdem es im übrigen Haus schon dunkel geworden war. Entweder hatte sie ihre Kopfschmerzen nur vorgeschoben oder es ging ihr schlechter, als es den Anschein gehabt hatte.
Caid wollte schon ein Zimmermädchen hinaufschicken und nachfragen lassen, ließ es dann aber bleiben. Wenn wirklich Grund zur Sorge bestünde, wäre Agatha ganz bestimmt aufgeblieben.
Am nächtlichen Himmel segelte der halbe Mond, immer wieder von wandernden Wolkenfetzen verdeckt. Moskitos sirrten um Caids Kopf, daher stellte er den Kragen seines Gehrocks auf, um seine Ohren vor ihren Bissen zu schützen. Nichts geschah und es würde wohl auch nichts mehr geschehen. Er hatte sich gerade entschlossen, ebenfalls zu Bett zu gehen, als eine flüchtige Bewegung an einer Seite des Hauses seine Aufmerksamkeit erregte. Ein Mann trat aus dem Schatten der Hauswand. Er hielt etwas Weißes in der Hand und blickte suchend zur Galerie empor, als wolle er eine bestimmte Tür ausmachen. Dann ging er bis zum Ende der Galerie, wo aus Lisettes Zimmer Licht durch die Schlitze in den Jalousien drang. Er trat ein paar Schritte zurück, um einen besseren Überblick zu bekommen, und starrte unverwandt nach oben.
War es ein liebeskranker Trottel oder ein Voyeur, der einen Blick durch einen Spalt in den Gardinen zu erhaschen versuchte? Caid wollte kein Risiko eingehen. Vorsichtig schlich er sich in einem weiten Bogen an die Gestalt heran.
In diesem Augenblick drang hell und klar das Licht des Mondes durch die Wolken, warf seinen sanften, weißen Schein genau auf diese Seite des Maison Blanche und erleuchtete die Züge des Mannes, der dort stand.
Francis Dorelle.
Caids angespannte Muskeln lockerten sich ein wenig. Der Poet stellte kaum eine ernsthafte Gefahr dar. Er mochte vielleicht lästig sein, doch das ließ sich unter den gegebenen Umständen kaum vermeiden. Lisette hatte unter seiner Aufmerksamkeit schon ein wenig zu leiden gehabt, doch es schien Caid unwahrscheinlich, dass er in dieser Nacht irgendwelche Dummheiten anstellen würde.
Doch das erwies sich als Irrtum. Dorelle hatte durchaus vor, Dummheiten zu machen. Das weiße Ding in seiner Hand war ein Blatt Papier. Er hob es nun so hoch, dass das Mondlicht darauf fiel, und begann aus vollem Halse das Gedicht zu rezitieren.
Doch selbst wenn das Werk so gut wie ein Shakespeare-Sonett gewesen wäre, zu dieser nachtschlafenden Zeit wollte niemand den Radau hören. Also machte Caid ein paar Schritte und wollte gerade den Musensohn beim Kragen packen und ihm den Kopf zurechtsetzen.
Da flog weiter unten auf der Galerie ein Fensterladen krachend auf und Blackford trat auf den mondbeschienenen Balkon. Er hatte sich in einen Morgenmantel von orientalischer Pracht gehüllt und trug offenbar nichts darunter. Die Hände auf das Geländer gestützt rief er: »Nicht so laut, Dorelle, die Leute wollen schlafen!«
Der Dichter unterbrach seinen Wortschwall und wandte sich dem Störenfried zu. »Ich folge der Inspiration der Liebe, Monsieur! Verstopfen Sie sich doch die Ohren, wenn Sie die Botschaft meines Herzens nicht hören wollen!«
In diesem Moment erkannte Caid, dass sich Dorelle für seinen Auftritt mit reichlichen Mengen Alkohol gestärkt hatte, denn er schwankte leicht, wie er so zu Blackford hinaufstarrte, und seine Aussprache war nicht allzu deutlich. Aus Lisettes Schlafzimmer konnte man Figaros Missfallensgebell vernehmen.
»Ist mir egal, wem Sie folgen, Sie Dummkopf«, erwiderte Blackford mit drohendem Unterton. »Und dem Gegenstand Ihrer Zuneigung ist es auch egal, wage ich zu behaupten. Hören Sie also
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