Gefechte der Leidenschaft
sollten Sie sich ihrer schämen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich mich schäme.«
»Und dennoch verbergen Sie sie, sprechen nie davon und möchten am liebsten, dass keiner davon erfährt.«
»Sie verraten, dass ich einer Klasse angehöre, deren Mitglieder man grundlos einsperren darf, ohne dass ihnen das Gesetz zu Hilfe kommt«, entgegnete Caid in harschem Ton. »Durch die Narben bin ich als Verbrecher gebrandmarkt.«
»Aber das war einmal. Und außerdem hatten Sie keine Schuld daran.«
»Egal, sie sind unauslöschlich.«
»Und wenn man sie entfernen könnte, so wären sie sicher noch immer in ihre Seele eingegraben«, sagte Lisette versonnen. »Was müsste wohl geschehen, damit Sie diese Narben vergessen? «
Sie verstummte, öffnete einen seiner Manschettenknöpfe, streifte den festen Hemdenstoff hoch und presste ihre Lippen auf die Narbe. Er stand da wie versteinert, unfähig sich zu rühren, zu denken, ja auch nur zu atmen, und spürte sein Herz wie eine tiefe Trommel dröhnen. In ihm brannte die Sehnsucht danach, ihr Haar zu berühren, ihre kühlen Lippen auf seinem heißen Mund zu spüren, sie in die Arme zu reißen und fortzutragen ins Dunkel. Er wollte sie festhalten, sie erobern und sie mit solch starken Fesseln an sich binden, dass sie nie wieder gelöst werden konnten. Er wollte sie ganz einfach für immer, egal auf welche Weise.
Doch er war nicht hier, um Ansprüche auf sie zu erheben oder ihre Lage auszunutzen. Schließlich hatte er versprochen, sie zu beschützen. Etwas anderes auch nur zu denken, war verrückt, es zu versuchen wäre sträflich. Er sollte sich von ihr losreißen und sich konsequent von ihr fern halten.
Doch es ging einfach nicht. Und so stand er nur da und wartete, bis sie schließlich aufsah. In dem grauen Zwielicht, das nur von einer fernen Lampe erleuchtet wurde, schaute sie ihn an, mit Augen wie dunkle, verwunschene Seen. Dann verzog sich ihr Mund zu einem kleinen, unsicheren Lächeln. »Eine Frau hat nicht die Macht, sie auszulöschen, nicht wahr? Was dann? Schweiß und Blut und zuletzt der Tod durch den Degen, der Ihnen so lieb und teuer ist? Ich werde für Sie beten, dass es nicht dazu kommt.«
Er antwortete nicht. Was gab es da auch zu sagen? Außerdem war seine Kehle so zugeschnürt, dass er keinen Ton hervorbrachte.
In diesem Augen blick hörten sie von hinten ein Geräusch. Caid drehte sich um, packte Lisette beim Handgelenk und zog sie hinter sich. Vor ihnen stand eine massige Gestalt, die Caid nicht sofort als Gustave Bechet erkannte.
»Verzeihen Sie die Störung«, sagte Bechet förmlich, »ich habe Sie nicht bemerkt. Um keinen Preis würde ich ein Tete-a-tete unterbrechen.«
War da nicht ein mürrischer, ja sogar höhnischer Unterton in der Stimme des abgewiesenen Freiers? Das wäre auch kein Wunder, dachte Caid. Also antwortete er: »Das glaube ich Ihnen.«
»Dann entschuldigen Sie bitte.« Mit einem kurzen Nicken drehte sich der dickliche Mann um und duckte sich ein wenig, um durch die Tür in den Salon zurückzugehen. Caid schaute ihm eine ganze Weile lang mit gerunzelter Stirn nach.
»Wahrscheinlich geht er jetzt auf der Stelle zu seiner Mutter und erzählt ihr alles«, sagte Lisette unglücklich.
»Ganz bestimmt. Fragt sich nur, welche Schlüsse sie daraus zieht.«
»Wir tun doch nichts Verbotenes.«
Das, dachte Caid, war nicht sein Verdienst. »Es ist meine Schuld, weil ich Sie von den anderen fortgebracht habe.«
»Jaja, immer ist alles Ihre Schuld.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte er und blickte ihr forschend ins Gesicht, erstaunt über ihren müden, resignierten Ton.
»Ist schon gut.« Sie schickte sich an, in ihr Schlafzimmer zu gehen, dessen Balkontür ein Stück entfernt auf die Galerie hinausging. »Ich habe auf einmal Kopfschmerzen. Würden Sie mich bitte bei den anderen Gästen entschuldigen, ich möchte jetzt Gute Nacht sagen.«
Er neigte wortlos den Kopf. Lisette ging und ihre Absätze klapperten hohl auf dem Holzboden der Galerie. Er wartete, bis sie die Tür erreicht und ihre Hand auf den Riegel gelegt hatte, bevor er sprach. »Danke«, sagte er leise, »danke für Ihr Gebet.«
Caid ging wieder in den Salon. Er richtete Lisettes Entschuldigung aus und blieb lange genug, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, sie beide würden die Gesellschaft in auffallend kurzem Abstand verlassen. Nachdem er schließlich allen eine gute Nacht gewünscht hatte, drehte er noch eine Runde durch den Garten und rauchte dabei eine letzte
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