Gefechte der Leidenschaft
dem romantischen Hang zum Makabren zusammen. Junge Männer tun so, als stünden sie mit dem Tod auf du und du, um ihre Angst davor zu überwinden. Und das Fechten ist dafür nur eines der Mittel zum Zweck.«
»Ich bringe ihnen also bei, dem Tod freudig entgegen zu treten. Ist es das, was Sie sagen wollten?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Das wäre zu viel gesagt. Sie zeigen ihnen, wie man sich dem Tod furchtlos stellt.«
»Ja, aber ist das immer gut? Schließlich ist es die Furcht vor dem Tod, die die meisten von uns davon abhält, sich allen möglichen Gefahren auszusetzen.«
»Das hätte ich jetzt eigentlich sagen sollen«, entgegnete sie mit ernster Miene. »Stellen Sie etwa Ihren Beruf oder seinen Ehrenkodex infrage?«
»Das tun doch alle intelligenten Männer.«
»Warum machen sie dann überhaupt weiter?«
»Weil das Leben roh und unzivilisiert wäre, wenn man die Bühne allein den Primitiven und Unanständigen überließe und denen, die sich rücksichtslos über die Rechte ihrer Mitmenschen — und vor allem der Frauen — hinwegsetzen. Es geht um die Drohung, verstehen Sie ? «
»Selbst wenn es die Harmlosen und Unschuldigen sind, die dabei sterben?«
»Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass nicht sie es sind, die die Zeche bezahlen müssen.«
»Wenn es so ist, dass tun Sie das Richtige.«
Spätestens in diesem Augenblick war Caid klar, wie unsagbar schwer es ihm fallen würde, Lisette zu gegebener Zeit einem anderen Mann zu überlassen. Die Aussicht auf diesen Schmerz ließ ihm den Atem stocken und in einem Anfall zorniger Verzweiflung fragte er sich, was das alles eigentlich für einen Sinn hatte. Dann wirbelte er Lisette herum, dass ihre Röcke nur so flogen und ihre Brüste für einen erregenden Augenblick an seine Brust gepresst wurden, die sich in heftigen Atemzügen hob und senkte. Doch gleich darauf verlangsamte er seine Tanzschritte wieder, erinnerte sich an den vorschriftsmäßigen Abstand zwischen den Tanzpartnern und hielt Lisette entsprechend weit von sich ab.
Sie nahm diese Geste ohne Kommentar hin, doch sie schaute ihn an, als läge ihr noch etwas auf der Zunge. Nach einer ganzen Weile sagte sie schließlich: »Heute morgen ist mir jemand gefolgt - oder zumindest kam es mir so vor.«
»Gefolgt?«, wiederholte er und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
»Es klang wie die Schritte eines Mannes, doch sehen konnte ich niemanden. Vielleicht, weil Figaro geknurrt hat. Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass die Person von ihrem Vorhaben abließ, als Maurelle plötzlich aus ihrem Versteck hervorkam.«
»Hat sie ihn nicht gesehen?«
Lisette schüttelte so entschieden den Kopf, dass ihre Locken, die nach der neuesten Mode zu Büscheln auf beiden Seiten ihres Gesichts zusammengefasst waren, hin und her flogen. »Sie sagt nein.«
»Sie wissen also nicht, ob er nur davon abgehalten wurde, sich zu einer attraktiven Dame auf ihrem einsamen
Spaziergang zu gesellen, oder ob er wirklich Übles im Schilde führte?«
»Nein. Ich habe mir überlegt ... das heißt, ich würde gern wissen, ob Sie sich gemerkt haben, welche Männer bei Ihrer Übung anwesend waren.«
Es war Caid sofort klar, was sie meinte. »Sie kamen und gingen, wie es ihnen gefiel und wie ihr Appetit auf Frühstück es ihnen eingab. Wer mit mir Übungskämpfe ausgetragen hat, weiß ich selbstverständlich.«
Sie schaute ein wenig enttäuscht drein, war aber nicht allzu beunruhigt. Und das war auch gut so, denn Caid machte sich Sorgen für sie beide zusammen. Wenn er jede Bewegung der Gäste verfolgen wollte, wurde die Landhausparty langsam zu einem Albtraum. Keiner der Anwesenden schien länger als ein paar Minuten an einem Fleck zu bleiben und es war unmöglich zu sagen, wer ruchlose Pläne verfolgte und wer sich nur zu einem Schläfchen auf sein Zimmer zurückgezogen hatte.
Und überdies war es hier noch schwieriger, mit Lisette allein zu sein als in der Stadt. Wohin er sich auch wendete, Francis, Denys, Neville, Gustave mit seiner Mutter und ein halbes Dutzend anderer waren schon da. Eine bessere Leibwache hätte sie sich beim besten Willen nicht wünschen können. Zumindest hatte aber auch keiner der anderen eine größere Chance auf ein trauliches Tete-a-tete mit ihr als er selbst, was Caid eine beträchtliche Genugtuung bereitete.
Maurelle beendete den Walzer. Zufällig kamen Caid und Lisette gerade vor einer der hohen Flügeltüren zum Stehen. Er bemerkte, dass ihr Gesicht rosa überhaucht war und dass sie
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