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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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korrigieren und die Kündigungsgenehmigung revidieren? Habe ich es mit der Vorgesetzten zu tun, die sich für die falsche Entscheidung ihres Mitarbeiters entschuldigen möchte? Ich spüre einen Anflug von Schadenfreude, wenn ich mir das Gesicht von Herrn Roth vorstelle. Und was wird wohl die sonnengebräunte Anwältin dazu sagen?
    »Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Was gibt es denn?«
    »Ihr Arbeitgeber hat bei uns Ihre Kündigung beantragt.«
    »Ja, ich weiß«, sage ich und werde langsam ungeduldig. »Die hat ihr Mitarbeiter ja leider genehmigt.« Ich will, dass sie endlich zur Sache kommt.
    »Ach, das ist schon bearbeitet?« Sie klingt erstaunt. Dann fällt bei ihr offenbar der Groschen: »Entschuldigung«, flötet sie schuldbewusst. »Das müssen wir uns ENDLICH abgewöhnen. Das ist jetzt schon öfters passiert. Mein Chef kam heute mit einem Brief zu mir und sagte, das sei liegen geblieben. Dabei hat der Kollege offensichtlich das Fax schon bearbeitet.«
    Mir gefriert das Lächeln im Gesicht. Nachdem ich mich schnell verabschiedet habe, bleibe ich mit dem Hörer in der Hand einen Moment niedergeschmettert stehen. Diese sinnlosenHoffnungen, es kostet jedes Mal so viel Kraft, die Enttäuschung wegzustecken. Warum lassen sie mich alle nicht einfach in Ruhe?
    Mir ist jetzt ganz dringend nach einer Übersprungshandlung. Ich stürze mich auf das Regal im Gang mit den Winterschuhen. Sie brauchen vorm Umzug unbedingt eine neue Politur. Ich hoffe, Johannes hat sie noch nicht eingepackt.

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    Luftveränderungen
    Während sich meine Anwältin wochenlang in Griechenland bräunt, reduziere ich wegen des Umzugs meine Gekündigtenarbeit. Stattdessen packe ich mindestens hundert Kisten, stelle Nachsendeanträge, lasse den Telefonanschluss ändern und reinige mehrmals meine Jacke von weißer Farbe. Johannes hat in Vorfreude auf den Umzug bereits mit dem Streichen begonnen, was dazu führt, dass alles, was noch nicht verpackt ist – einschließlich unserer Familie –, mit weißen Farbspritzern übersät ist.
    Und endlich, als wir schon beginnen, uns an diesen seltsamen Zustand der verpackten und halb geweißelten Wohnung zu gewöhnen, ziehen wir tatsächlich um! Oh, es macht Spaß. Endlich beherrscht nicht mehr diese vermaledeite Kündigung meine Laune. Das Leben ist für ein paar Tage wieder bunt. Was für eine schöne Wohnung! Was für eine Luftveränderung! Das ist mindestens so gut wie Ferien in Griechenland. Und so viel nachhaltiger.
    Leider gelingt es mir nicht, den Albtraum der Kündigung ganz zu verdrängen. Eines späten Nachmittags treffe ich unsere neue Nachbarin vor dem Haus.
    »Arbeiten Sie wieder?«, fragt sie mich freundlich, was mich wundert. Wie kommt sie darauf? Habe ich meine Kleidung heute zu geschäftsmäßig gewählt oder schließt sie das daraus, dass sie mich gerade ohne Kind im Schlepptau sieht?
    »Nein, ich bin in Elternzeit«, antworte ich und habe auf einmal das Gefühl, mich dafür rechtfertigen zu müssen. »Na, Ihnen geht’s ja gut«, scheint ihr Gesichtsausdruck zu verraten – oder bilde ich mir das nur ein? In der Regel muss man sich erklären und mit dem Vorwurf auseinandersetzen, man sei eine »Rabenmutter«, wenn man arbeitet, obwohl kleine Kinder zu Hause sind. Aber ich hatte und habe noch immer Schwierigkeiten, mir die Elternzeit zuzugestehen. Am Anfang fühlte ichmich seltsam und beobachtet, wenn ich vormittags oder nachmittags spazierenging. Als dürfte man sich nur dann erhobenen Hauptes blicken lassen, wenn man von morgens bis abends einer geregelten Arbeit nachgeht. (Dabei weiß jeder, der einen Tag mit Kindern verbracht hat, dass das viel anstrengender ist als Schreibtischarbeit.) Ich ärgere mich über dieses übertriebene Arbeitsethos, mit dem ich es mir selbst schwer mache. »Was würde sie erst sagen, wenn sie erfährt, dass mir gekündigt wurde?«, frage ich mich, halte darüber meinen Mund und verabschiede mich freundlich.
    Immerhin kommen wir mit der Wohnung voran. Sogar die Lampen hängen inzwischen. Schwierig war es nur – und ist es leider manchmal immer noch –, wenn wir etwas Bestimmtes suchen. Nachdem ich resigniert das Packsystem meines Mannes übernommen hatte, liegen in den Kartons die Schuhe neben dem Nähzeug und die Klaviernoten neben den Eierbechern.
    »Nächstes Mal müssen wir die Kisten unbedingt systematisch packen und beschriften«, ruft er eines Morgens verzweifelt, nachdem er zum zweiten Mal erfolglos Kiste für Kiste nach Kopfschmerztabletten

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