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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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sie.
    Begeistert bin ich davon nicht. Ich bezweifle, dass man per E-Mail verhandeln kann. Ein Tag bleibt uns noch. An Herrn Roths Stelle würde ich den verstreichen lassen und erst dann auf die E-Mail antworten. Aber ich resigniere. Innerhalb von einem Tag finde ich keinen neuen Anwalt. Also lasse ich ihr freie Hand und beschließe, mich einfach auf sie zu verlassen.
    Es wäre wahrscheinlich klüger gewesen, das von Anfang an zu tun, statt ihre Aussagen ständig infrage zu stellen. Aber es ist schwierig, die Ruhe zu bewahren, wenn man plötzlich von lauter vermeintlichen Experten umringt ist. Jeder hat irgendetwaszum Thema Kündigung und Abfindung zu sagen. Und weil sich alle widersprechen, macht es einen irgendwann nur noch verrückt.
    Luc zum Beispiel, der inzwischen im Selbststudium zum Kündigungsexperten mutiert ist, stachelt mich auf. Er hält die Summe für mickrig. Er scheint da mehr Glück zu haben, obwohl er kein Minderleister ist. Sein Arbeitgeber wird offenbar deutlich mehr bezahlen als meiner. So einfach ist es wohl doch nicht, einen Betrieb in einer Stadt dichtzumachen, alle Leute rauszuschmeißen und dann in einer anderen Stadt eine neue Firma zu gründen und die ehemaligen Mitarbeiter zum großen Bewerbungsreigen einzuladen. Anscheinend befürchtet das Unternehmen jetzt, vor das Arbeitsgericht gezogen zu werden und kauft sich mit beachtlichen Abfindungen frei.
    Ein anderer Freund von Johannes und mir, den ich um Rat gefragt habe, war dagegen überrascht, wie »großzügig« mein Arbeitgeber angeblich ist. »Sie müssten dir gar nichts zahlen«, meinte Max. Ich solle dankbar sein. Aber so sehe ich das nicht. Großzügig ist für mich etwas anderes. Ich versuche, es ihm zu erklären: »Denk mal an die Finanzkrise. Wenn da eine Bank einem gutgläubigen Kunden wissend ein Schrottpapier verkauft hat und danach gnädig einen Teil des Verlusts ausgleicht, ist das doch auch nicht großzügig. Genauso geht es mir mit der Betriebszugehörigkeit. Ich fühle mich um sie betrogen.«
    Das sieht er ein. Trotzdem würde Max auf Nummer sicher gehen, das Geld nehmen und Ruhe geben.
    Am schlimmsten sind aber diejenigen Besserwisser, die von irgendwelchen Fällen erzählen, die mit meiner Situation überhaupt nicht vergleichbar sind. Sie tun so, als sei die Kündigung nichts anderes als die Chance, an eine Riesensumme Geld zu kommen, vergleichbar einem Lottogewinn. »Hast du einen Rechtsanwalt?«, muss ich mich dann etwa fragen lassen. »Eine Bekannte einer Freundin der Schwägerin meiner Nachbarin hat eine Abfindung von 170 000 Euro erstritten. 170 000 Euro!«

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    Die Überlebenden
    Schon seit einiger Zeit trage ich mich mit der Idee, meinen Noch-Chef Jürgen zu besuchen und bei Kollegen und Vorgesetzten von früher vorbeizuschauen – in meiner Exarbeit also. Nachdem heutzutage fast jeder einen Exmann oder eine Exfrau hat, ist es wahrscheinlich völlig normal, dass ich jetzt immerhin eine Exarbeit habe. Es passt in die Zeit. Vielleicht ist das der Ausgleich dafür, dass mein Mann seit Jahren derselbe ist.
    Für heute habe ich meinen Besuch angekündigt und ich merke schnell: Das war eine dumme Idee. Jürgen ist zwar sehr freundlich und nimmt sich Zeit, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich störe. Wir sitzen uns auf zwei Drehstühlen mitten im Raum gegenüber. Das hat etwas sehr Provisorisches und lädt nicht zum langen Verweilen ein. Vor allem weiß man in dieser Position nicht, wohin mit den Beinen. Gerne würde ich sie unter die Geborgenheit eines Tisches stecken.
    »Wie geht es dir?«, fragt er, wartet aber netterweise die Antwort, über die ich nachdenke (ehrlich sein oder Floskel liefern?) nicht ab und fragt gleich weiter: »Was hast du denn jetzt vor?«
    Da hätte ich lieber die Wie-geht-es-dir-Frage beantwortet. Ich nuschele etwas von einem Projekt, an dem ich gerade arbeite. Mir wurde gekündigt. Das ist nun einmal nicht zu ändern. Aber ich bin keinesfalls bereit, hier als arme Gekündigte aufzutreten. Im Laufe meines Berufslebens habe ich gelernt, wie wichtig der erfolgreiche Schein ist. Ich werde den Teufel tun und das, was ich mir die vergangenen Jahre aufgebaut habe, mit Bewerber-Gejammer zerstören. Keiner gibt dir aus Mitleid einen Job.
    Jürgen lehnt sich im Stuhl zurück. »Der Pharmaindustrie geht es ganz gut …«, sagt er unvermittelt.
    Aha?, wundere ich mich, ist das ein Bewerbungstipp? Ich beschränke mich bei meiner Antwort auf ein Lächeln.
    Leider ermuntert ihn das

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