Gefeuert
durchwühlt hat.
»Mhmh«, sage ich nur – und schweige klug. Ich habe jetzt Wichtigeres zu tun, als das Packsystem besser zu wissen: Ein Blick auf den mit Farbe verklecksten Wandkalender hat mir gezeigt, dass die Anwältin in den kalten deutschen Sommer zurückgekommen sein müsste.
Es wird wieder ernst.
Nach Tagen des Umzugs ist jetzt zum ersten Mal etwas Gekündigtenarbeit nötig. Ich schnappe mir mein Handy und wähle ihre Telefonnummer, die ich inzwischen auswendig kenne. Ich will sie gleich auf Spur bringen, damit sie ja nicht vergisst, Herrn Roth rechtzeitig zu kontaktieren. In drei Tagen endet die Frist, innerhalb derer ich gegen die Kündigung klagen kann.
»Du musst auf jeden Fall klagen«, hatte mir Luc geraten, der sich, seit er von seiner eigenen Kündigung weiß, voll ins Thema eingelesen hat. »Sonst bist du denen völlig ausgeliefert.«
Die Anwältin scheint das nicht so zu sehen. Sie hat zwarausgerechnet, bis wann wir klagen können, ist aber nicht besonders interessiert daran. Offenbar ist sie sehr entspannt aus ihrem Urlaub zurückgekehrt.
»Aber was ist, wenn Sie Herrn Roth nicht erreichen?«, frage ich irritiert. Mir reicht es jetzt mit dieser Gemütlichkeit. Erst fährt sie in Urlaub und dann vertrödelt sie womöglich meine Klagefrist. »Brauchen wir dann nicht die Klage, um unsere Verhandlungsposition zu verbessern?«
»Natürlich ist das normalerweise ein wichtiges Druckmittel«, erklärt sie geduldig. »Aber in Ihrem Fall würde ich davon abraten. Rechtlich haben Sie keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Das weiß auch Herr Roth. Mit einer Klage würden wir ihn wahrscheinlich nur verärgern.«
Da habe ich meine Antwort und ich muss ihr wohl glauben. Aber warum sagt sie das erst jetzt so klar? War sie im Urlaub auf einem Anwaltssegeltörn in der Ägäis und hat ihr das ein Kollege erzählt, als sie nebeneinander auf Deck saßen und die Beine über die Reling baumeln ließen? Oder höre ich nur in der neuen Wohnung besser?
Ich bin getroffen, wieder zerbröselt ein Stück Hoffnung. Da fällt mir noch etwas ein: »Warum hat Herr Roth gesagt, ich hätte keine Betriebszugehörigkeit? Ich bin doch schon seit 15 Jahren in dem Konzern.« Diese Frage schwirrt mir schon seit geraumer Zeit durch den Kopf.
»Da hat er schon recht«, sagt sie zu meinem Schrecken. »Die Betriebszugehörigkeit muss vertraglich vereinbart werden. In Ihrem Vertrag steht darüber nichts. Also sind die vorhergehenden Jahre in den anderen Tochterunternehmen verloren.«
»Das gibt’s doch nicht!«, entfährt es mir. Vage erinnere ich mich, dass Herr Roth in unserem Gespräch etwas sagte wie »Das haben wir leider vergessen aufzunehmen«. Vergessen? Ich schnaube verächtlich. Das war doch sicherlich Absicht.
»Wenn man natürlich Ihren Fall kennt und weiß, wie Sie von einem Unternehmen in das andere geschoben wurden …«, unterbricht die Anwältin meinen Flashback.
Resigniert verabschiede ich mich. Diese Gekündigtenarbeitheute war leider nicht erfolgreich. Da hätte ich lieber eine weitere Kiste auspacken sollen. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, wie sehr ich mich verarscht fühle. »Hin und her geschoben«, meinte die Anwältin. Komisch, so habe ich das in all den Jahren nie gesehen. Aber dass ich mich von Herrn Roth bei der Betriebszugehörigkeit über den Tisch habe ziehen lassen … Wäre ich ein Kindergartenkind, dann würde ich ihn jetzt gerne hauen. Aber ich bin ja erwachsen. Ich bemühe mich, ihn gedanklich ganz, ganz weit von mir wegzudrängen.
Leider werden die Nachrichten nicht besser. Am nächsten Vormittag meldet sich die Anwältin. Sie kann Herrn Roth nicht erreichen. Sie hätte es immer und immer wieder versucht. Aber er würde nie abnehmen.
»Das gibt es doch nicht!«, denke ich mir. Ich bin richtig verärgert. Es kann doch nicht so schwer sein, jemanden ans Telefon zu bekommen. Qualifiziert das Jurastudium etwa nicht fürs Telefonieren? Da fragt man sich halt durch, schmuggelt sich über die Zentrale ein, fragt Kollegen, ob Herr Roth überhaupt da ist oder noch in der Südsee weilt oder gar mit dem Schweinegrippevirus infiziert ist. Aber man nimmt es doch nicht hin, dass man zwei Tage gar nichts erreicht.
»Und jetzt?«, frage ich entgeistert. Alle meine Befürchtungen scheinen bestätigt. Sie versemmelt meine Klagefrist. Selbst wenn sie (und damit leider ich auch) gar nicht klagen will – egal, da geht es ums Prinzip. Und um mein Geld!
»Ich werde ihm eine E-Mail schreiben«, sagt
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