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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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war.
    Darauf sah er mich betroffen an. Jetzt ist die Sache klar und wir haben seither kein Wort mehr darüber verloren.
    Doch es sind nicht nur die anderen, bei denen ich schnell das Gefühl habe, mich rechtfertigen zu müssen. Ich hadere auch mit mir selbst, weil so wenig vorangeht. Alles braucht unglaublich viel Zeit. Ich habe es mit Fristen zu tun und Behördenwegen. Ansprechpartner fahren einfach in den Urlaub, anstatt sich permanent um meine Angelegenheiten zu kümmern. Und dann bin ich doch eigentlich im Babyjahr. Die Elternzeit gibt es, damit sich Mutter und Vater der Erziehung ihres Kindes widmen können, steht auf den Seiten des Bundesfamilienministeriums. Es findet sich nichts darüber, was ist, wenn einem in der Elternzeit gekündigt wird.
    Ich versuche, sie mir dadurch nicht völlig verderben zu lassen. Aber es ist schwierig. Natürlich lenken mich Ella und der Kleine oft von meinen Grübeleien über meine berufliche Zukunft ab. Manchmal aber nehme ich beide nur noch durch einen Nebel von Gekündigtengedanken wahr, ich denke darüber nach, was ich tun soll, wie ich es tun soll, was passieren kann. Plötzlich schrecke ich auf und sehe meine wunderbaren Kinder. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, ich will nicht, dass sie unter der Kündigung leiden müssen! Ich will alles tun, sie davor zu beschützen. Aber ich bin unausgeglichen. Ich wechsle zwischen manischer Betriebsamkeit, mit der ich mich auf die Gekündigtenarbeit stürze, Momenten depressiver Verstimmung und bemüht zuversichtlichen Vorstellungen. Dazwischenhabe ich Existenzängste, die zu unnötigen Streits übers Geld führen und seltsame Verhaltensweisen befördern. Zum Beispiel kaufe ich plötzlich keine Schokolade, um zu sparen – mit dem Ergebnis, dass ich mir dann am Sonntag eine überteuerte Tafel an der Tankstelle holen muss, wenn mich der Heißhunger überkommt.
    Im Grunde habe ich gar keine Zeit zum Arbeitslossein. Das glaubt einem aber keiner (es sei denn, Sie haben gerade selbst ein Baby). Schließlich ist man ja zu Hause und arbeitet nicht. Das stimmt zwar, doch wenn ich morgens um 8 Uhr parat stehe und loslegen könnte, fällt leider dem Kleinen ein, aufzuwachen. Damit verschiebt sich sämtliche Gekündigtenarbeit auf unbestimmte Zeit nach hinten – vom Verfassen des Lebenslaufs bis zum Scannen der Stellenmärkte. Die Varianten eines auf diese Weise familienerfüllten Tages sind unendlich. Mal lädt die große Tochter die halbe Klasse zum Mittagessen ein oder Johannes braucht Hilfe oder ferne Verwandte kündigen sich für ein paar Tage an (»Du hast ja jetzt endlich einmal Zeit«) – und dann ziehen wir ja auch noch in wenigen Tagen um.
    Das ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt dafür, aber nicht mehr zu ändern. Der Vertrag für die neue Wohnung war schon vor der Kündigungs-Odyssee unterschrieben, die alte Wohnung ist längst neu vermietet. Woher hätte ich wissen sollen, dass ich meinen Job verliere? »Leisten« konnten wir uns die ganze Geschichte nur, weil klar war, dass ich bald wieder voll verdiene – dachten wir zumindest. »Und das werde ich ja hoffentlich auch!«, versuche ich mich zu beruhigen, wenn die Sorgen überhandnehmen.
    Da müssen wir jetzt durch. Es ist nun einmal nicht zu ändern. Und es hat auch sein Gutes: Sobald ich mit dem Umzug beschäftigt bin, rückt die Kündigung in den Hintergrund. Dieser »Nebenkriegsschauplatz« lenkt mich von Herrn Roth und meinen Bewerbungen, meiner unsicheren Zukunft und der Horrorvorstellung Arbeitslosigkeit ab.
    Die ganze Wohnung steht bereits voller Kisten. Die ersten habe ich systematisch gepackt und ordentlich beschriftet. Dochnachdem ich Johannes erwischt habe, wie er einfach wahllos alles, was ihm in die Hände kam, in einen Umzugskarton warf, habe ich mein System aufgegeben. Jetzt greife auch ich, sobald ich fünf Minuten Zeit habe, erst nach links, dann nach rechts und schmeiße alles zusammen in den nächsten Karton.
    Nach dem Telefonat mit Luc mache ich mich wieder an diese mir noch etwas ungewohnte Art des Packens. Als ich gerade dabei bin, den Föhn in die Kiste mit den Schirmen zu befördern, klingelt das Telefon. Es ist das Gewerbeaufsichtsamt. Eine Dame ruft an.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe. Sie sind sicherlich nicht erfreut, dass ich Sie anrufen muss. Aber Ihr Arbeitgeber …«
    Sofort sehe ich einen Hoffnungsschimmer, trotz ihrer »Sicherlich-nicht-erfreut«-Einleitung: Haben sie ein neues Urteil gefunden? Wollen sie ihren Bescheid

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