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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Einstundentelefonat zu verabschieden.
    Es wird auch höchste Zeit, der Kleine ist aufgewacht und ich will los. Ich will in die Stadt fahren, um mir einen Bewerbungsratgeber zu kaufen. Seit Wochen studiere ich Stellenanzeigen. Sie ähneln sich so sehr, als hätte sie derselbe Ghostwriter verfasst. Vom zukünftigen Mitarbeiter wird immer dasselbe erwartet. Es scheint geradezu, als gäbe es eine DI N-Norm für Bewerber. Und dieser DI N-Bewerber , weiß ich inzwischen, istteamfähig, kommunikationsstark und flexibel. Er verfügt über ein hohes Maß an Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft (bzw. Engagement). Er ist belastbar oder stresserprobt, kreativ oder ideenreich, hat Durchsetzungsvermögen oder Biss und überzeugt mit einem souveränen oder gewinnenden Auftreten. In vielen Fällen ist der DI N-Bewerber zudem »jung« oder er passt in ein »junges Team« oder bewirbt sich für »Junior«-Positionen und ist damit bestimmt nicht in meinem Alter. All die anderen DI N-Voraussetzungen erfülle ich, habe ich beschlossen.
    Ich stehe in der größten Buchhandlung der Stadt. Das Angebot an Ratgebern überwältigt mich. Es gibt ein eigenes raumhohes und überbordendes Regal alleine für Bewerberliteratur. Ich bin platt. Wo soll ich da anfangen?
    Wahllos greife ich ein Buch nach dem anderen heraus und blättere wild darin herum. Da entdecke ich eine Mitarbeiterin.
    »Entschuldigen Sie«, spreche ich sie an. »Die Auswahl überfordert mich. Welchen Ratgeber nimmt man denn am besten?«
    »Pfff«, sagt sie und scannt mit ihren Augen kurz das Regal ab. »Keine Ahnung … Diese Verlage hier sind alle etabliert in dem Bereich.«
    Ja, das sehe ich und sie scheinen Jahr für Jahr neue Ratgeber auf den Markt zu werfen. Es finden sich richtige Wälzer, fast 600 Seiten dick. Und dann gibt es für jeden Schritt, den ein Jobsucher nur machen kann, gleich ein extra Buch: zur Bewerbungsmappe, zum Lebenslauf, zur Initiativbewerbung und so weiter und so fort.
    »Da muss man halt das nehmen, was einem sympathisch ist«, fällt der Buchhändlerin noch ein, als sie sich wieder von mir abwendet. Sympathisch? Nein, Sympathisches entdecke ich nicht. Dafür viel Küchenpsychologie. In simplen Tests soll ich zum Beispiel mein Motivationsprofil erfahren oder auf meine Stärken kommen. Und sehr viel Banales füllt die Seiten. So erfahre ich, dass ich beim Anschreiben die Adresse des Empfängers »richtig abschreiben« soll und bei der Arbeitsagentur »frühzeitig Termine« vereinbaren muss, da die Vermittler nicht sofort Zeit haben. Diese läppischen Tipps kosten dann 20 Eurooder sogar mehr. Immerhin lerne ich, was »friktionelle« Arbeitslosigkeit ist, nämlich die Phase zwischen altem und neuem Job.
    »Du bist friktionell arbeitslos. Klingt erfolgreicher als gekündigt«, murmele ich vor mich hin und nehme mir vor, künftig auf die wenig einfühlsame, aber häufig gestellte Frage »Und? Was tut sich so?« zu antworten: »Ich bin friktionell jobsuchend und du?«
    Weil ich bei den Bewerbungsbüchern nicht weiterkomme, gehe ich aus reiner Unentschlossenheit zur Wand mit den Karriereratgebern. Hier überfällt mich vollends der Ärger. Ein Autor zeigt seinen Lesern, wie sie »unkündbar« werden. Top-Mitarbeiter, so seine These, müssten sich keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. Da ist sie wieder: Diese seltsame allgegenwärtige Idee, dass Gekündigte und Arbeitslose selbst schuld sind an ihrem Schicksal. Das ist blanker Unsinn, meine Kollegen und ich sind das beste Gegenbeispiel dafür. Sicher gibt es Unternehmen, die erst einmal ihre vermeintlich weniger leistungsstarken Mitarbeiter loswerden wollen, so wie das in Lucs Firma gehandhabt wurde. Aber wenn es hart auf hart kommt, wenn ganze Firmenteile dichtgemacht werden, interessiert es keinen Menschen, wie viele Überstunden man geleistet hat, wie sehr man seine Ziele erreicht hat und wie hoch die Leistungsbezahlungen in den vergangenen Jahren waren. Selbst der zufriedene Chef nützt einem dann nichts. Er ist froh, wenn er sich selbst durch die Kündigungswelle retten kann.
    Ich verlasse die Buchhandlung, ohne etwas zu kaufen. (Ein paar Tage später finde ich meinen Bewerbungsratgeber übers Internet. Auf der Webseite der Arbeitsagentur gibt es kostenlos den »Job-Profi«, eine 7 0-seitige PD F-Broschüre , die alles enthält, was man wissen muss, und die mit den kostenpflichtigen Ratgebern problemlos mithalten kann.) Als ich nach meinem erfolglosen Ratgebershopping nach Hause komme, ragt aus dem

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