Gefeuert
auch nicht gut laufen und bereits einer Mitarbeiterin gekündigt wurde.
»Erst ist alles bestens und lustig und alle verstehen sich gut«, sagt sie nachdenklich. »Und plötzlich gilt, jeder gegen jeden.«
So ist es immer. Wenn in Unternehmen erst die Sparappelle laut werden und dann Kündigungen drohen, sackt die Stimmung in den Teams in sich zusammen. Es gibt nichts Demotivierenderes als Kündigungen. Manche Unternehmen haben es über Jahre hinweg in immer wiederkehrenden Spar- und Personalabbaureigen geschafft, die Arbeitslust und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter nachhaltig zu zerstören. Wie eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Ingo Geishecker für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, kann die Angst, seinen Job zu verlieren, sogar schlimmer sein als eine tatsächliche Kündigung.
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Der Stammdatensatz
Nachdem Mutter und Tante abgereist sind, widme ich mich sofort wieder meiner Gekündigtenarbeit. Ich nehme mir vor, so bald wie möglich, am besten heute und gleich, die Arbeitsagentur anzurufen, um das endlich hinter mich zu bringen. Doch dann geraten Johannes und ich in Streit. Wir streiten darum, wer am fleißigsten die Spülmaschine ein- und ausräumt. Recht haben wir beide. Wir haben nur unterschiedliche Spülstrategien. Aber im Moment will jeder den anderen von seiner Mehrbelastung beim Spülen überzeugen, was völlig unmöglich ist.
»Und außerdem habe ICH die letzten Tage immer gekocht«, höre ich mich sagen. »Was hat das mit Spülen zu tun?«, frage ich mich hinterher, aber da ist es schon draußen.
»Und ICH habe immer den Kleinen, wenn du telefonieren musst«, kontert Johannes.
Ganz klar, wird sind vom Spülen im Speziellen auf die familiären Pflichten im Allgemeinen gekommen. Jeder fühlt sich benachteiligt, weil wir beide neben der Familie noch Zeit für Berufliches (beziehungsweise in meinem Fall für Gekündigtenarbeit) und – wenn irgend möglich – ein wenig für uns selbst brauchen. Weil im Moment mit meiner Elternzeit, der Geburt des Babys und der Kündigung alles durcheinander ist, müssen wir auch die Aufgabenverteilung wieder aufs Neue aushandeln.
Dazu kommt meine Unausgeglichenheit. In Momenten, in denen mich mein Vorsatz, »das Beste aus der Kündigung zu machen«, mehr belastet als hilft, bin ich – ich gebe es ungern zu – ungewohnt launisch. Plötzlich nörgele ich dann am angeblich »falschen« Brot herum, das Johannes besorgt hat. Wenig später komme ich reumütig an und entschuldige mich.
»Tut mir leid. Das sind nur Übersprunghandlungen«, versuche ich meinem Mann dann zu erklären.
»Ist schon gut. Ich weiß gleich, dass du dich später dafür entschuldigen wirst«, verzeiht mir mein Mann regelmäßig.
Aber der Spülstreit heute ist eine Nummer heftiger. Diesmal ist Johannes richtig wütend. Wir sind noch nicht ganz versöhnt, als er sich mit dem Baby ins Kinderzimmer verzieht. Wir haben ausgemacht, dass er sich um den Kleinen kümmert, damit ich in Ruhe telefonieren kann. Wahrscheinlich wäre es aber klüger gewesen, an diesem schon mit einer Missstimmung behafteten Tag meinen Vorsatz zu ändern und lieber etwas anderes zu tun (zum Beispiel einen Versöhnungskaffee mit dem lieben Mann trinken), als nun auch noch ein unangenehmes Telefonat zu führen. Aber ich kann unerbittlich mit mir sein. Ich wähle zum zweiten Mal die Nummer 01801 / 555111.
Zuerst werde ich wieder von dem Telefonroboter begrüßt. »Willkommen in Ihrer Agentur für Arbeit. Wenn Sie Fragen rund um das Arbeitslosengeld II haben, auch als Hartz IV bekannt, wählen Sie die 2. Wenn Sie Fragen zum Kindergeld haben, wählen Sie die 5. Bei allen anderen Anliegen die 8.«
Ich frage mich, was sich wohl hinter den Nummern eins, drei, vier, sechs und sieben verbirgt und überlege kurz, ob ich sie austesten soll. Da ermahnt mich der Telefonroboter ungeduldig: »Ihre Eingabe war nicht verwertbar!« Dann wiederholt er sich: »Wählen Sie die 2, wenn Sie …«
Ich lasse ihn nicht aussprechen – womöglich sitzt im Hintergrund ein Mitarbeiter und misst, wie lange jemand im Vorprogramm herumtrödelt. Ich will mir kein Minus bei »Effizienz« einholen – und drücke einfach mittenrein die 8.
Eine Mitarbeiterin meldet sich mit ihrem Namen. Sie wird sich im Laufe des Gesprächs als sehr energische Person erweisen.
»Guten Tag. Ich rufe an, weil ich arbeitslos werde.«
»Oh je«, sagt sie. Ich bin dankbar für diese kurze Form der Anteilnahme. »Ist die Kündigung schon
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