Gefeuert
ausgesprochen?«
»Ja.«
»Waren Sie schon mal bei uns gemeldet?«
Nein, das war ich nicht. Aber ich erzähle ihr von meinem Anruf vor dem Umzug. Meine Erklärung dauert ihr offenbar zu lange. Sie unterbricht mich und fragt nach meinem Nach-und Vornamen. Dann buchstabiert sie beides noch einmal in Affengeschwindigkeit, sodass ich kaum mitkomme. Ich überlege kurz, ob die Mitarbeiter der Arbeitsagentur nach Akkord bezahlt werden, habe aber keine Zeit, diesem Gedanken nachzuhängen, denn schon geht es weiter: »Familienstand?«, »Adresse?«, »Telefonnummer?«, »Handy?« Zwischendurch wiederholt sie meine Angaben im Schnellsprech. Trotzdem komme ich kaum nach mit dem Antworten. Das verunsichert mich. Dabei war das anscheinend nur die Einleitung.
»Gehen wir in die Stammdaten rein«, sagt sie plötzlich und es klingt bedrohlich. »Wir werden einen Termin als Rückruf vereinbaren. Der Jobberater in Ihrer Arbeitsagentur wird Sie anrufen. Sie müssen dann die Rentenversicherungsnummer, die Bankverbindung, Ihre Ausbildung und die letzten sieben Jahre Ihres beruflichen Werdegangs taggenau parat haben. Das müssen Sie sich dann davor zurechtlegen«, ermahnt sie mich vorsorglich, als sei ich ein kleines Kind. »Der Jobberater wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Den müssen Sie dann wahrnehmen«, belehrt sie mich weiter. »Somit haben Sie sich ein Mal das Kommen gespart«, ergänzt sie zufrieden.
Ich komme gar nicht dazu, irgendetwas zu sagen. Das »Müssen«, die Geschwindigkeit und die Belehrungen bringen mich ganz durcheinander.
»Der Rückruf wird in zwei Tagen sein, morgens um 9 Uhr. Der Berater wird zeitnah anrufen, fünf Minuten früher oder später.«
»Schon in zwei Tagen?«, staune ich. Ich finde es bewundernswert, dass diese riesige Behörde so flott arbeitet. Aber andererseits ist es auch verdächtig, dass sie es gar so eilig mit mir haben.
Sie geht darauf gar nicht ein. »Wann haben Sie die Kündigung erhalten?«
Als ich ihr das Datum nenne, macht sie eine kurze Pause, die ich als Kommentar werte – ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie ihre Augenbrauen hochzieht und unwillig den Kopf schüttelt, weil das schon Wochen zurückliegt.
»Aber ich bin in Elternzeit und die Kündigung greift erst in Monaten«, rechtfertige ich meinen späten Anruf.
Das besänftigt sie offenbar, denn sie nimmt ihr gewohntes Tempo auf, fragt kurz das Ende der Elternzeit und den Kündigungstermin ab und dann: »Wie lange waren Sie in der Firma?«
»Es ist ein Konzern«, will ich erklären. »Ich war in verschiedenen Tochterfirmen.«
Aber sie unterbricht mich. »Ich brauche …«
Ich will keine Belehrung mehr hören, unterbreche sie selbst und nenne mein Eintrittsdatum in den Konzern.
»Als was sind Sie beschäftigt?«
Ich nenne meine Position, aber so etwas hat sie noch nie gehört, und ich fange an zu erklären, was ich tue.
Da fragt sie schon weiter: »Branche?«
Auf einmal erinnert sie mich wieder unvermittelt daran, dass ich die nötigen Daten beim Rückruf in zwei Tagen bereithalten muss. »Taggenau!«
»Darf ich kurz noch einmal wiederholen?«, frage ich. »Also die Rentenversicherungsnummer, die Bankleitzahl«, verspreche ich mich – inzwischen bin ich tatsächlich schon etwas angeschlagen.
»BankVERBINDUNG«, korrigiert sie mich unwirsch. »Und Ihre Ausbildung!«
Dann fragt sie meine Erreichbarkeit ab. »Sind Sie am Handy ständig erreichbar?«
»Ständig? Ich habe es meistens dabei, wenn nicht, rufe ich zurück«, sage ich. Keine Ahnung, was sie daraus für ihren Stammdatensatz macht.
»Können Sie einen Termin in der Arbeitsagentur jederzeit oder nur nach Absprache machen?«, fragt sie weiter.
Ich bin unschlüssig, was ich antworten soll. Wer kann schon »jederzeit« Termine ausmachen. »Ich habe einen kleinen Sohn«, antworte ich, um Zeit zu gewinnen.
»Also nach Absprache«, beschließt sie. »Werden Sie für einen Bewerbungstermin vom Arbeitgeber freigestellt oder geht das nicht?«
»Das geht«, sage ich einfach. Es wäre ihr sicher wieder zu kompliziert, wenn ich erklären würde, dass ich gerade in Elternzeit und danach freigestellt bin.
»Also, wie gesagt, in zwei Tagen um 9 Uhr«, erinnert sie mich wieder. »Ich wünsche Ihnen alles Gute«, sagt sie noch und schickt dann ein fröhliches »Tschüüüüüs!« hinterher.
Ich bleibe einen Moment bewegungslos vor dem Telefon sitzen. Was war denn das gerade? Ich fühle mich schrecklich, überrannt und ausgefragt und ausgeliefert. Ich laufe
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