Gefeuert
gleich, einer ganzen Runde von Interviewern gegenübersaß. Danach erfuhr ich zufällig, dass es sich bei den meisten um Praktikanten handelte. Oder das Assessment-Center, bei dem Gewissensfragen gestellt wurden: »Würden Sie auch für ein Unrechtsregime arbeiten?« Ich habe verneint, doch ob ich nur deswegen den Job nicht bekam?
Aber diese ganze Bewerbungsodyssee damals fand ein gutes Ende: Ich bekam meinen Traumjob, so ausgelutscht der Begriff auch ist. Das Unternehmen, zu dem ich unbedingt wollte, sagte mir zu – meine Exarbeit. Das gibt mir jetzt Vertrauen. Es wird schon alles richtig kommen, sage ich mir.
Beim Umsteigen in die Regionalbahn steigen trotzdem wieder Zweifel in mir auf. Im Regen stehe ich auf dem trostlosen Bahnsteig, friere und frage mich, was ich mir da eingebrockt habe. Das »Kaff«, wie Johannes sagt, ist nur mit Regionalverkehr zu erreichen.
Dafür ist es nett, wie ich eine halbe Stunde später feststelle, und die Lage des Unternehmens ist herrlich. Plötzlich wandelt sich meine Laune erneut und ich finde es erstrebenswert hier zu sein. Ich bin auf einmal in Bewerbungsstimmung mit dem richtigen Kick Adrenalin.
Ein paar Minuten später sitze ich im Vorzimmer. Der Oberboss persönlich holt mich dort auf die Minute pünktlich ab. Das überrascht mich positiv, auch Sympathie ist da. Unter kurzem Small-Talk werde ich in sein Zimmer geführt und stutze – was man mir hoffentlich nicht ansieht. Der ovale Tisch ist schon voll besetzt. Kurz erschrecke ich und überlege, ob es sich hier um ein Bewerber-Blind-Date handelt. Aber nein, die Ansprechpartner werden mir mit Namen und Funktion vorgestellt. Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denke ich mir zufrieden. Die Namen kann ich dank meiner Vorbereitung auch so denPositionen zuordnen. Ich darf am Kopfende Platz nehmen und schaue in fünf erwartungsvolle Gesichter.
Nun kommt die Aufforderung »Bitte erzählen Sie uns doch Ihren Werdegang und was Sie zu uns führt«. So. Das ist eine völlig einleuchtende Eröffnungsfrage. Komischerweise habe ich daran in meiner Vorbereitung nicht gedacht. Macht nichts. Ich erzähle drauflos, zunächst etwas aufgeregt, aber nach und nach ruhiger und fester. Mein Schlusssatz, dass ich mich gerade für dieses Unternehmen begeistern kann, weil es mir von meinen Interessen naheliegt, sorgt beim direkten Vorgesetzten für zustimmendes Nicken.
»Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Ich wäre auch nicht überall hingewechselt«, sagt er und schickt erläuternd nach: »Ich bin ja auch erst seit einem Monat dabei.«
Das bricht bei mir noch mehr das Eis. Die Anspannung weicht von Frage zu Frage. Sie machen es mir auch wirklich leicht. Es kommt keine einzige dieser komischen Standardfragen. Weder meine »Schwächen« noch meine »Stärken« scheinen sie zu interessieren. Vor allem werde ich nach meinen Einschätzungen und Ideen zu bestimmten Punkten gefragt, die in das Aufgabengebiet der neuen Position fallen. Ich ernte öfters ein bestätigendes Nicken, manchmal auch einen zweifelnden Gesichtsausdruck. Aber das bringt mich jetzt nicht mehr durcheinander. Vor allem, da die fünf zwischendurch einander Anekdötchen erzählen und so nicht den Eindruck machen, mir auf den Zahn zu fühlen. Es wirkt auf mich immer mehr wie ein nettes Beisammensein, bei dem wir uns über das Unternehmen unterhalten. Ich fange tatsächlich fast an, mich wohlzufühlen.
Wie erwartet darf ich am Ende ein paar Fragen stellen, die ich mir auch schon vorher überlegt hatte. Ich frage nach den Abstimmungswegen und Hierarchien, nach dem Vorgänger und dem Team, nach dem Einstellungsbeginn.
Hier übernimmt dann der Mitarbeiter aus der Personalabteilung das Wort und versetzt mir einen kräftigen Dämpfer, als er von sich aus auf das Gehalt zu sprechen kommt. Er nennt ein Tarifgehalt und berücksichtigt explizit nur einen Teil meinerbisherigen Berufsjahre. Es ist niedrig, zu niedrig. Viel niedriger als in meiner Exarbeit. Es ist völlig unrealistisch, das mit Verhandeln in die von mir gewohnte Höhe zu schrauben. Und das, selbst wenn ich eine Diskussion über die Anerkennung meiner Berufserfahrungen anfangen würde, die im Moment aber völlig fehl am Platz wäre.
»Sie werden zügig von uns hören«, sagt abschließend der Oberboss und begleitet mich nach einer kurzen Verabschiedungsrunde wieder hinaus.
Wieder allein, bin ich noch immer ein wenig außer mir. Es dauert ein paar Minuten, bis ich zur Ruhe komme. Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Das
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