Gefeuert
Warum wird mir so viel von meinem möglichen Nebeneinkommen angerechnet? Warum, warum, warum? Mir schwirrt der Kopf. Ich reiße mich zusammen und arbeite mich Zeile für Zeile mühsam durch. Am Ende verstehe ich, dass über die Sperrzeit tatsächlich erst noch entschieden wird. Und ich befürchte, dass ich wegen der Anrechnung des Nebeneinkommens Widerspruch einlegen muss.
Wenn ich mein wirres Paragrafen-Wissen jemandem verständlich machen müsste, hätte ich Schwierigkeiten. Es ist so kompliziert. Bis zu 15 Wochenstunden darf ein Arbeitsloser nebenher arbeiten und monatlich 165 Euro netto hinzuverdienen, ohne Abzüge befürchten zu müssen. Alles, was darüber liegt, wird mit dem Arbeitslosengeld verrechnet. Wer jedoch schon vor der Arbeitslosigkeit neben seinem festen Job ein Nebeneinkommen hatte, dem »können weitere Freibeträge zustehen«, heißt es in der Broschüre »Wissenswertes zum Thema Nebeneinkommen«. Deshalb habe ich im Antrag mein bisheriges Nebeneinkommen angegeben. Und dieser Betrag wird mir nun im Voraus monatlich abgezogen. Das kann doch nicht richtig sein?
Dafür hatte ich mit der Abfindung keinerlei Probleme. Da wurde nichts angerechnet. Soll ich es deswegen dabei belassen? Ich bin unschlüssig und entscheide mich, erst einmal den nächsten Brief zur Sperrzeit abzuwarten und dann meine Anwältin zu kontaktieren. Erschöpft und niedergeschlagen hefte ich den Bewilligungsbescheid im Ordner ab.
Auf den Brief zur Sperrzeit warte ich eine ganze Woche. Das ist für die Agentur ungewöhnlich lange. Wieder ist es ein Bewilligungsbescheid, der den alten Bescheid ersetzt. Wieder habe ich Schwierigkeiten, die Aussage sofort zu erfassen. Zwei, dreiMal lese ich über die Tabellen. Dann bin ich mir sicher: Die Sperrzeit ist draußen. Sehr gut.
Jetzt muss ich mich um die Sache mit dem Nebeneinkommen kümmern. Ich bin unentschlossen, ob ich direkt bei der Arbeitsagentur anrufen soll oder ob ich mich lieber zuvor bei meiner Anwältin erkundige. Auf dem Bescheid suche ich vergeblich nach einem Ansprechpartner oder einer Durchwahl der Sachbearbeiterin in der Arbeitsagentur. Nur die Hotline ist angegeben. Nein danke, diesen Umweg möchte ich jetzt nicht gehen. Also rufe ich die Anwältin an. Sie ist in Kampfeslaune.
»Natürlich steht Ihnen ein höherer Freibetrag für das Nebeneinkommen zu! Schicken Sie mir den Bescheid heute noch zu, dann legen wir Widerspruch ein. Wenn das nichts bringt, gehen wir vors Sozialgericht!«
Ich bin baff. Alle Achtung. Solche Worte hätte ich mir damals bei der Kündigung gewünscht, als es um meinen Job und die Abfindung ging. Jetzt handelt es sich nur um ein paar Hundert Euro monatlich. Das ist zwar auch viel, aber nicht vergleichbar mit meiner Stelle. Ich bin erleichtert, dass sie sich der Sache annimmt und ich mich nicht mit der Hotline auseinandersetzen muss.
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Das Vorstellungsgespräch
Als Bewerber, lerne ich, muss man geduldig sein. Man schickt seine Unterlagen ab und dann kommt erst einmal – nichts. Doch heute, ein paar Wochen nach meiner ersten Bewerbung, erhalte ich meine erste Einladung zum Vorstellungsgespräch. Ist das nicht toll? Allerdings mischt sich in meine Freude und meinen Stolz auch ein unangenehmes Gefühl. Denn der Arbeitgeber ist in einer anderen Stadt. Und das ist ein Problem: Johannes kann wegen seines Berufs nicht umziehen, also kommt ein Ortswechsel für uns gar nicht infrage. Beworben habe ich mich damals, weil die Stelle so gut auf mich passte. Und weil ich vorübergehend in Panik war, nicht rechtzeitig einen Job zu finden – ohnehin schienen alle passenden Stellen in anderen Städten zu sein. Und, ja, auch weil ich Angst davor hatte, der Arbeitsagentur ausgeliefert zu sein.
Eigentlich sollte ich mich richtig freuen. Das war meine erste Bewerbung und gleich erhalte ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Meine Verwandlung zum DI N-Bewerber scheint also erfolgreich gewesen zu sein. Aber ich bin hin- und hergerissen und überlege, was ich machen soll.
»Nimm es als Übung«, versuche ich mich zu motivieren. Aber in Wirklichkeit empfinde ich es als Zumutung, ein Vorstellungsgespräch probehalber zu absolvieren, auch wenn das in der Ratgeberliteratur so empfohlen wird. Dafür ist es für den Arbeitgeber und für den Bewerber zu aufwendig. Dann sage ich mir wieder, realitätsfern: »Wer weiß, was daraus wird. Vielleicht ist der Job so toll, dass wir doch umziehen …«
»Der Termin scheint dich ja ganz schön zu stressen«,
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