Gefluesterte Worte
mit der Kraft unserer Seele. Denn das Schöne führt uns zu unserm Entstehen zurück, zu dem Lichte, aus dem wir kamen. Das Böse ist auch häßlich allenthalben. Es hat keine ebenmäßige Linie und keinen reinen Klang, und keine Zartheit, und keine mütterlichen Arme, und keinen Lebensquell, denn es trägt den Tod in seinem Schoße. Dem Manne soll das Weib schön sein, weil Leben aus ihnen kommen soll, nicht, weil sie seine Verführerin und sein Unglück sein soll, sondern sein höchstes Glück. Schumann sagt: »Das Chaos, aus dem die Welt gemacht ist!« Das Weib soll schön sein dem Manne, auf daß er sie als sein Höchstes begreife, als die Mutter, zu der er sie machen soll, mit seiner alles überwältigenden Liebe. Er soll sie so lieb haben, daß die Welt für ihn stille steht, da eine Welt aus ihr kommen soll.
Zum Schaffen und Gestalten wurde die Schönheiteingesetzt. Das Kind soll der Mutter schön sein, weil sie es am Leben erhalten soll mit ihrer ganzen Kraft, mit ihrer höchsten Zärtlichkeit, mit Einsetzen von allem, was sie an Leides- und Seelenstärke in sich trägt. Dem Weibe soll der Mann schön sein, der sie zur Mutter machen soll, zu dem Höchsten auf Erden. Dem Menschen soll die Frucht schön sein, die ihn ernährt, damit er darnach greife. Das Schöne ist Leben, ist Güte, ist Herrlichkeit und Kraft.
Du meinst, die Natur und ihre Herrlichkeit sagt nichts mehr zu dir? Du bist eben in Nacht und Dunkelheit gehüllt, liebe Seele, sonst wüßtest du, daß in dem Augenblicke, in welchem du das sagst, die Natur dich mit hundert Armen hält, und dir weiche Worte ins Ohr flüstert, und du sehr gut das Rauschen des Waldes und das Brausen des Meeres verstehst, daß ein weicher Lufthauch dir das Gefühl gibt, als ob du dennoch nicht im Grabe wärest. Nein, liebe Seele, so lange du auf der Erde bist, hat die Natur Gewalt über dich, du bist ihr anvertraut, sie ist deine Mutter, sie ist dein Leben und deine Kraft.
Se ist nicht umsonst so schön in allen ihren Stimmungen. Du bist selbstsüchtig. Sie sollnicht lachen, wenn du weinst, sie soll sich in Nebel hüllen, wenn du verborgen sein möchtest, sie soll jauchzen, wenn dir's froh ums Herze ist, sie soll nicht winterlich aussehen, wenn die Liebe in dir grünt und jubelt. Aber sie ist, was du bist; sie hat Jahreszeiten und die sind alle schön, Nebel, und Sturm, und Regen, und Sonne, und Wind, und Frost, und Schnee, und grünes Laub, und kahle, große Stammknochen. Alles ist schön, alles hat seinen tiefen Sinn. Alles ist reich und birgt neuen Reichtum unerschöpflich.
Daß du dich eben erschöpft fühlst, ist ein falsches Gefühl, du bist ebensowenig erschöpft, wie sie. Du hast ja noch Blut in dir, also Lebenssaft und Lebensquellen, ungeahnte Kraft und neues Werden. Du wirst jeden Augenblick, so gut wie die Natur,. Du wirst von Schönheit ernährt, gebändigt, erzogen, geleitet, gestärkt, du weißt es nicht. Alles ist schön, das dich umgibt, und du suchst es häßlich zu machen, um schimpfen zu dürfen. Aber darf ein Mensch seine Mutter beschimpfen? Du kamst aus den Flanken der Natur, aus des Schönen Widerschein und Schöpferkraft. Und war es auch nur ein Augenblick, in welchem das Gefühldes Schönen dich berührte, so war der Augenblick Leben und Werden.
Darum bringe deinen Mitmenschen so viel Schönes nahe, als es in deiner Macht steht, so hast du ein gutes Werk getan, mehr als mit Speise und Trank, mehr als mit Kleidung und Behausung, und dies alles scheint so überaus notwendig. Aber siehe, eine schöne Kirche tröstet viele, denen man weder Kleidung noch Behausung hat geben können. Dort ist ihr Heim und ihre Erquickung, wenn sie das Leben im eigenen Hause nicht mehr ertragen können. Andern ist eine Bildergalerie Erquickung, noch andern, und den Meisten, Licht, Ton, Farbe, das alles haben wir, um uns und andere zu erfreuen, und gebrauchen es nicht! Aber, liebe Seele, du hast ja deinen Erdenberuf verfehlt, wenn du das Schöne nicht angebetet hast, als von Gott gesandt, als ebensoviele Engel, welche dich erfreut haben. Die Sonnenanbeter waren schon auf einer viel höheren Stufe von Bildung, sie verehrten das Licht, folglich ahnten sie die Wahrheit und die Schönheit. Denn wo wäre dies alles ohne die Sonne, von der wir alles Leben haben. Sie verehrten unsere Mutter in der Sonne, denn die Erde wäre eine Wüste ohne sie.Warum, liebe Seele, willst du nicht eine kleine Sonne sein, alles hell machen um dich der, alles schöner machen durch den Glanz und
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