Gefluesterte Worte
die Güte Heines Blickes, durch den Wohllaut deiner Stimme, durch die Schönheit deiner Sprache, durch das Ebenmaß deiner Bewegungen und die Harmonie deiner Kleidung?
So roh war ja kein Volk, daß es nicht versucht hätte, mit Muscheln und Steinen und Schnitzen und Färben, das Schöne nach dem Maße seines Könnens darzustellen. Und je höher es stieg, je schöner wurde alles, was es berührte, je edler alle Formen, auch die des Umgangs, je herrlicher seine Begriffe von Linie und Farbe und Klang. Man sieht ja, daß gebildete Menschen sich ein viel schöneres Organ angewöhnen, als solche, die noch nie schön sprechen hörten. Nun, daß schönes Sprechen eine ganz außerordentliche Gewalt auf die Menschen ausübt, das hat man im einzelnen und in den Massen hundertmal gesehen. Beredsamkeit ist die Schönheit in Worten, im Tonfall: immer Schönheit, und Schönheit ist die gewaltige Siegerin über alles.
Darum verfehlen diejenigen ihren irdischen Beruf, welche die Schönheit für ein Übel erklären,anstatt zu begreifen, daß die Menschen in ihrer Torheit selbst das Schöne mißbrauchen können, statt Musik erfanden sie Drehorgeln, statt des reizvollen Ganzes auf grünem Rasen unanständige Luftsprünge im engen Raume, statt lieblicher Kleidung lächerlichen Aufputz, statt Bildern und Statuen Fratzen, statt Mütter Dirnen, statt des hehren Wortes Flüche und Zoten. Das verändert aber die Ewigkeit und Heiligkeit des Schönen nicht. Man kann in einer Kirche Vieh unterbringen und Soldaten hausen lassen und Pestkranke pflegen, dann wäscht man die Kirche rein und sie ist so heilig wie zuvor, und bietet dieselbe andachtsvolle Stimmung, weil sie schön ist. Ein Mensch, der sich immer mit Schönem beschäftigt, wird sicherlich schöne und ebenmäßige Bewegungen annehmen, nicht häßlich sprechen, und, hätte er auch gar kein schönes Gesicht, doch anziehend aussehen. Das Schöne ist nicht Luxus, nicht Prunk, nicht Reichtum. Das Schöne kann ein kleiner brauner oder grüner irdener Topf sein mit einigen Feldblumen, ein reizendes Kindergesicht im Grase liegend, ein junges Tier, das voller Freude in die Luft springt, Schönheit ist überall. Wir können uns ihr gar nichtverschließen, so groß ist ihr Zauber, so unendlich groß. Das Mädchen, das mit bloßen Füßen und aufgeschürztem Rock am Brunnen steht, und den Krug auf dem blühenden haarumwogten Kopf bebt, ist schön wie eine junge Göttin und weiß es manchmal nicht. Die Mutter, die ihr Kind nährt, hat zu den schönsten Madonnen Modell gestanden. Der Mann, der den Hammer schwingt vor dem Feuer seiner Esse, der sein Feld besät mit dem weiten Schritt und der weiten Handbewegung, der Mäher, der Hirte, sind schön. Die geschickte Hand, die etwas gut zu machen versteht, bewegt sich schön. Sogar die Hand des Operateurs, von Blut überströmt, in der Wunde wühlend, kann schön sein in ihrer großen Geschicklichkeit und Sicherheit. Blut ist schön. Es ist rubinenrot wie der feuerrote Wein, wie der herrlichste Edelstein. Und diese Dinge haben alle Menschen, arm und reich, hoch und gering. Alle haben eine Mutter gehabt, alle dürfen arbeiten und Kinder haben, alle können Blumen pflücken und Blumen ziehen, alle können dem Sämann zusehen, alle dürfen Vogelgesang hören und sich daran erquicken. Alle können blühende Bäume ansehen und die Früchte haben, von denen ihnen das Herz lachtund der Mund kühl wird. Luxus ist oftmals das Gegenteil von Schönheit, weil ihm das Ebenmaß fehlt, das die Natur immer hat. Man versenke sich nur in den Anblick einer einzigen Blüte eines einzigen Baumblattes, bis man sein Blut kreisen sieht, und seine feinen Adern kennt, und sein wunderbares Farbenspiel, und seine herrliche Textur, und die Sorgfalt studiert hat, mit der jedes Blatt und jede Blüte einzeln bereitet ist, als wäre sie allein auf der Welt und ihre Staubfäden von allerhöchster Wichtigkeit. Über einen Schmetterling kann man außer sich kommen vor Entzücken, wenn man ihn gründlich betrachtet. Aber der Mensch muß ihn gleich aufspießen und sein Flattern von Blüte zu Blüte verderben, das ihn noch viel schöner macht, da seine Farbe sich zur Blumenfarbe gesellt und sie sich gegenseitig verschönen.
Die Blattwanzen tragen Schilde mit Grüngold und Saftgrün, wundervoll gezeichnet, oder ein schwarzes Malteserkreuz auf rotem Grunde, oder kabbalistische Zeichen und deutliche Buchstaben. Und die Leuchtkäfer und Glühwürmchen mit ihrem strahlenden Licht! Von den Bienen
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