Gefluesterte Worte
Erde ist. Das Wort ist unser Himmelsbote, zu jeder Zeit, aber auch dieses Göttergeschenk verstehen wir zu mißbrauchen. Das Wort sollte unser Trost und Balsam sein, das Wort unsrer Liebe Träger, das Wort ein Sonnenstrahl, ein milder Tau, ein lebender Regen, eine fruchtbringende Saat,das Wort sollte Brot des Lebens sein. Gesang der Vögel in viel höherer Form, das Wort sollte unsere Stirnen mit Glanz und Licht krönen, das Wort, das alles nennt, das uns umgibt. An Schönheit so reich, daß es noch nie erschöpft worden ist, an Macht so groß, daß die Menschen seine Macht noch nie ausprobiert haben, an Güte so tief, daß die Menschen es mit Andacht handhaben sollten, anstatt ihre gemeinen Neigungen damit auszudrücken. Das Wort ward uns geschenkt, um uns von der Tierwelt zu unterscheiden, zu der wir sonst in jeder Weise und mit allem gehören. Das Wort allein erhebt uns über sie, das Wort allein hat uns zum Herrn der Natur gemacht, das Wort ist Geist, das Wort ist unser Verband mit dem sogenannten Überirdischen, da es des Gedankens Träger ist, des Gedankens, der mit der uns umgebenden Welt nichts mehr gemein hat, sondern nach anderen Regionen strebt. Des Wortes erhabene Schönheit steht jedem zu Gebote, und man findet oft, daß es von den einfachsten Seelen am allerschönsten gehandhabt wird, daß sie Bilder finden, welche denen verloren gegangen sind, die nur nach Geld und Erwerb gehen. Das Wort ist Dichtung an und für sich, dennes enthält in seinem Ausdruck, in seinem Klang allen Wohllaut und allen Glanz, man braucht es nur an die richtige stelle zu letzen, zu dem richtigen Bilde zu gebrauchen, und das Gedicht ist da. Die Heiligkeit und Erhabenheit des Wortes kann einem über viel Ungemach hinweghelfen. Das haben die Leute gefunden, die Predigten erfanden, um über des Lebens Schwere leichter hinwegzukommen, aber auch hier wird es oftmals ungeschickt gehandhabt, und könnte Wunder wirken.
Die größte Predigt der Welt, die Bergpredigt, hat Wunder gewirkt, und wirkt sie noch täglich. Das Wort behält seine Macht nach Tausenden von Jahren. Von großen Völkern bleibt nichts übrig als ihr Wort, wenn sogar ihre Steine zertrümmert sind. Das Wort überdauert alles, wie ein ewig grünender Baum. Das ist der Schönheit Krone und wiederum allen erreichbar. Das Wort ist unsere Kirche, in die wir uns flüchten können. Im Anfang war das Wort, und am Ende aller Dinge bleibt das Wort allein übrig.
Ruhe
Mit tiefer Beschämung siehst du, Seele, daß du zur Ruhe noch nicht gelangt bist, zu der großen, weiten Ruhe, die du seit deiner Kindheit ahnst, von der du das Fittigstreifen oft empfunden hast, und die immer wieder an dir vorüber gebt, als wärest du ihrer immer noch nicht wert. Siehst du, Seele, die Ruhe kommt nicht von selbst in dich hinein, weil du ein höheres Alter erreichst, oder bittere Erfahrungen gemacht hast, oder gleichgültig geworden bist gegen der Menschen Urteile, und Lob und Tadel dich vollkommen kalt lassen. Dieses alles ist noch nicht die Ruhe. Es ist ein Teil des Weges zu ihr hin. Die Ruhe ist so groß, so hehr, so erhaben über alles, daß der Weg zu ihr steil und hart sein muß. Denn sie ist der Vorgeschmack des Himmels, wenn nicht der Himmel selbst.
Warum wir den Himmel nicht in der Brust tragen und nicht behalten können, wie Fiesole und seine Engel, das wissen wir nicht. Wirwissen nicht, woher wir stammen, und was wir ertragen müssen, noch wofür. Aber, daß wir zur Ruhe wollen, das wissen wir alle.
Warum wollen wir denn zu ihr? Warum erscheint sie uns als das köstlichste Gut, das uns die Arbeit doch nicht widerstrebt, sondern im Gegenteil unser Trost gewesen ist in vielen Nöten. Aber die Ruhe ist doch noch viel mehr als die Arbeit. Warum? Wir haben eine Ahnung davon, daß Schauen mehr ist als Tun, Denken mehr als Leisten, Empfinden mehr als Dienen, Anbeten mehr als Schaffen.
Und wir leisten, dienen, schaffen doch gern, und unsere Hände liegen nicht leicht müßig im Schoße. Aber uns winkt dennoch der Gedanke, die Einkehr in unser innerstes Heiligtum als das Höchste und Erhabenste, wonach wir streben können. Warum? Und warum sind wir so tief beschämt, wenn irgend ein äußerer Umstand sich diesem hehren Ziele widersetzt in uns, und uns aufhält, oder gar uns wiederum mehrere Klafter zurücksinken läßt auf dem bereits durchlaufenen Wege.
Und dann überfällt dich das Schamgefühl, daß du noch so klein bist, wo du schon gemeint hattest, Flügel ausbreiten zu können.
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