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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Sylva
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eilt von dannen in seine Einsamkeit. Aber die Einsamkeit ist nicht, wenn die Meute sie durchstöbert. Einsamkeit ist nur in der eigenen Brust, in keinerHöhle, in keinem Dorngestrüpp und wäre es auch noch so dicht. Einsamkeit ist die Kraft des Gedankens, der sich über das erbebt, wovor man beben könnte. Einsamkeit ist die Ruhe in sich, das Bewußtsein, daß man nicht aus niederem Stoffe gemacht ist, sondern aus Himmelsherrlichkeit und Himmelskräften und Himmelswahrheit.
    Schau, Seele, empor in deine Heimat, nach der du immer ein Sehnen hast, das du nicht erklären kannst, weil du im Leibe dieser Erde, der wirklichen Heimat nicht gedenken sollst, der du gehörst, weil sonst dein Leiden nicht groß und echt genug wäre, um Überzeugung in sich zu tragen und mit sich zu führen.
    Du sollst an dir selbst und an deiner Herkunft zweifeln lernen, damit du, in alles Elend eingetaucht, als Held daraus hervorgehen kannst. Das hast du gewollt, bevor du die Erde betratest. Du kalt dich stärker gefühlt als irdische Schicksale, weil sie dir in der Höhe klein erschienen und des Verschmachtens nicht wert. Und nun ist dirs dennoch zum Verschmachten, nur, weil du nicht sehen kannst, wie weit du von dem allen entfernt bist, wie hoch dein Ziel, wie rein dein Wesen.
    Jeder Mensch könnte ein Lohengrin sein, er darf nicht sagen, wer er ist, und wenn die Menschen ihm nicht glauben, so muß er weiter und darf sich nicht enthüllen.
    Jeder Mensch sollte die Wahrheit und Reinheit verteidigen, wenn er nur wüßte, wie unüberwindlich er ist in seiner Himmelskraft: Engel? Die Seelen sind Engel Gottes, Boten, und wissen es nicht! Im Nichtwissen liegt oftmals alles Unglück.
    Wüßtest du, was du tun sollst auf der Erde, so könntest du nicht zaudern, nicht schwach werden, so kenntest du keine Furcht, denn du wärest sicher, abgerufen zu werden, sobald das getan ist, wozu du auf die Erde gesandt bist.
    Du läßt dich befangen und unterjochen von dem Alltäglichen, das deinem Wesen so fremd ist, nur weil es fremd ist. Kenntest du es genau, so würdest du ob deiner Torheit lächeln und es abschütteln mit Ruhe und Gleichmut, ohne Verachtung zu zeigen, ohne unnötig zu reizen, da du weit hinaufblicken könntest, und sehen, daß man einmal das erreichen wird, wofür man dich heute in Kerker und Banden schlägt und unglücklich macht. Du wußtest ja, Seele, daß du während der Erdenlaufbahnunglücklich sein würdest. Zum Glücklichsein bist du nicht aus Himmelshöhen gekommen, sondern zum Helfen, in der Hoffnung, daß alle schneller ein besseres Dasein, ein freieres Selbstbewußtsein erreichen könnten, wenn man es ihnen nur sagte.
    Du hast dich nicht geirrt, alle Denker kommen zu früh, alle, die eine Wahrheit verkündigen, werden gesteinigt. Aber der Gedanke lebt und die Wahrheit bricht sich Bahn, sie hat viele Träger, nicht dich allein. Du bist nur einer von vielen, und wenn Du an der Stelle gewirkt, darin du gestellt bist, so sieh ruhig zu, was die andern tun, die vielleicht geschickter gewesen sind als du, vielleicht noch mehr haben leiden müssen, vielleicht noch dunklere Wege gewandelt sind.
    Licht ist dein Element, Licht dein Wesen, Licht deine Bestimmung. Vergiß es nicht, dann brauchst du keinen Mut mehr, dann bist du frei.
     

Schönheit
    Daß soviel Schönheit dich umgibt, Seele, das beherzigst du nicht genug. Du sagst, du bist so leidensvoll, daß dir die Bäume nicht mehr grün sind, der Fluß nicht mehr silbern, die Blütenbäume nicht schneeig, die Harmonie der Töne ein unleidlicher Lärm. Arme Seele! Du bist krank, du bist von der Erdenkrankkeit angekränkelt, sonst würdest du dich nicht erdrücken lassen, sondern sehen, was schön ist und ewig schön bleibt. Du würdest eindringen in das Wesen des Schönen und es verstehen, besser als das Leid, das dich eben quält und das vergänglich ist, während das Schöne unvergänglich ist, weil es eben der Ewigkeit Kind ist. Das Schöne auf Erden ist nur der Glanz des höchsten Lichts, und darum wissen wir so wohl, was schön ist, darum ist allen Menschen dasselbe schön und dasselbe herrlich, je nach dem Grade ihrer Entwicklung.
    Jedes Kind findet der Mutter Brust schönund sein Spielzeug schön, und tut wohl daran, denn es sind die ersten Dinge, die sein inneres Leben wecken. Die schöne Mutterbrust ist der Lebensquell in mehr als einem Sinne. So ist es das Schöne überhaupt. Wir sollen uns dem Schönen in die Arme legen, es Mutter nennen, es lieb haben, uns ihm anschmiegen

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