Gefluesterte Worte
man bei ruhigem Nachdenken garnicht so gewiß weiß, ob der Tod das Ende ist, oder der Anfang von viel größerem Ungemach, das vielleicht gar kein Ende hat, oder ein viel späteres als das Erdendasein, das im Ganzen doch beschränkt ist, wie endlos lang es auch scheinen mag.
Einigen Menschen ist das Erdenleben sehr lang, weil es wenig Freude und gar keine Ruhe gebracht hat, und weil die Geduld beständig droht zu versiegen. Es ist als wäre man nur mit einem gewissen Grad von Geduld ausgerüstet, und wenn das verbraucht ist, so ist eben nichts mehr da und man hat gar nichts mehr, worauf man zurückgreifen kann.
Das Tier, das noch irgend eine Freude hat, der Hengst, der Stier, sind nicht geduldig, nur die armen Wesen, die der Mensch jeglicher Lust beraubt hat, um sie noch sicherer dienstbar zu machen. Vielleicht ist der hohe Grad von Geduld, den manche Menschen entwickeln, auch nur ein Zeichen, daß sie auf jede Freude, jeden Trost, jede Erhebung, jede Genugtuung verzichtet haben. Wenn jeder Funke erloschen ist, dann ist esleichter geduldig sein, aber das kann man dann beinahe nicht mehr Geduld nennen, da es nur ein Aufhören des persönlichen Seins ist, ein Sichweggeben, ein Verzichten auf sich selbst und auf alles, was uns das Leben lieb und wert gemacht hat. Es gibt darum vielleicht keinen trostloseren Anblick als vollkommene Geduld. Für den, der Augen hat, liegt darin eine viel größere Verzweiflung, als in den wildesten Klagen und dem theatralischsten Haareraufen, für manchen bleibt als einzige Tat die Geduld übrig, wenn er zum Tun nicht mehr die Kraft hat, ja als Wohltat für seine ganze Umgebung, seine Geduld zeigt die höchste Seelenstärke und ist das Resultat unaufhörlicher Selbstüberwindung. Hier ist die Geduld Dankbarkeit und Liebe und Verstehen, daß Pflegen große Aufopferung bedeutet, und daß man dieselbe schätzt und anerkennt. Geduld da, wo keine andere Kraftäußerung möglich ist, zeigt höchste Seelenstärke.
Dem Kranken bleibt nichts auf der Erde zu leisten, als Geduld zu üben, und er unterschätze nicht diese Arbeit, da sie oft überwältigend groß ist. Die Geduld, die der Kranke übt, macht seine Lagerstatt zu einer Kirche, und beglückt alle, die ihm nahen. Sie macht jede Handreichungzu einer Freude. Der Kranke kann eben nichts mehr leisten für die Menschen, als ihnen diese heroische Geduld zu Füßen legen, ihnen damit seine Liebe und Dankbarkeit beweisen, und sie manchmal beschämen, wenn sie zu Liebe und Dankbarkeit keine Veranlassung gegeben haben. Vor sich selbst steht der Kranke anders da, wenn er geduldig ist. Die langen, einsamen Leidensstunden, die nichts verkürzt, können ihm selbst zu den heiligsten Stunden seines Lebens werden, wenn er vor sich selbst heldenhaft geduldig dastehen kann. Hat er aber die Nacht mit hilflosem Jammern zugebracht, so hat er am Morgen nichts gewonnen und steht vor sich selbst schwächer und weniger ehrwürdig da. Krankheit und Schmerzen des Leibes sind so schwer zu ertragen, daß man nicht zu klagen braucht, um den andern Menschen begreiflich zu machen, wie schwer es ist. Das kann fast jedermann verstehen, mit wenigen Ausnahmen. Und diese Ausnahmen sind im höchsten Grade beneidenswert, denn sie haben gewöhnlich noch nie einen Tag des leichtesten Unwohlseins gekannt.
Krankheit ist einer unserer schlimmsten Feinde, gegen den wir mit aller Macht zu Felde ziehenmüssen. Man denke aber nicht, daß in diesem Falle die Geduld die Kraft vermindert. Im Gegenteil, sie ist die allerbeste Waffe und besiegt den Feind weit sicherer, als alles Sichwehrenwollen. Krankheit ist eine der ganz schweren Prüfungen, und wer diese heldenmütig besteht, der hat einen großen Schritt zur Vollkommnung getan. Es ist auch schwer, wenn die andern vergessen, welche fortwährende Entsagung man üben muß, wieviel Freuden man von der Ferne sieht, die nie erreichbar sind, und vielleicht desto verlockender erscheinen. Aber der Kranke sage sich, daß jede freundlich getragene Entsagung eine Stählung des Charakters ist, der anders sich verweichlichen würde, oder der von den liebenden Pflegern zu sehr verwöhnt würde, weil sie alles tun möchten, das Leiden leichter zu machen. Mit Kranken Geduld haben, ist auch nicht jedermanns Sache. Manchen wird es überaus schwer, und werden sie ungerecht, weil ihre eigene Müdigkeit ihnen Streiche spielt und sie ungeduldig macht. Darum wird es denen leichter, die vollkommen gleichgültig sind, die das Krankenpflegen als Beruf erwählt
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