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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Sylva
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haben, und deren Herz dabei weniger beteiligt ist. Für sie ist's nicht schwer, geduldig sein, da sie den Krankenfrüher nicht gekannt haben, also garnicht bemerken, wie sehr er sich verändert hat, wieviel schwerer er zu ertragen ist, und wie oft er seine Lieben befremdet. Die Krankenpflegerin von Beruf braucht weniger Geduld, weil es eben oft eine Leidenschaft bei ihr ist, zu pflegen, und da ist ihr keine Last zu groß. Diejenige, die es ungern tut, sollte es nie unternehmen, denn sie wird es nie gut machen und nie den Kranken eine wirkliche Hilfe und ein Trost sein können.
    Geduld ist immer Kraft, auch da, wo sie vollkommen unbewußt bleibt, und nicht als Heldentum empfunden wird. Eine Tat wird sie nur da, wo sie Kampf und Überwindung kostet, täglichen Kampf und tägliche Überwindung. Man irre sich aber nicht. Die andern empfinden sehr wohl, ob man geduldig ist, oder ob man freudig das tut, was man auf sich genommen hat. Darum reizt die Geduld manchmal da, wo sie rühren sollte, denn da erscheint sie wie ein fortwährender Vorwurf, denen, die sie nötig machen und hervorrufen. Nur da, wo sie mit vollkommener Selbstverleugnung geübt wird, wird sie den andern zur Wohltat und Erbauung. Man täusche sich nicht. Die Nebenmenschen empfinden die Wahrheit in uns, wennwir sie auch zu verhüllen bestrebt sind. Der Kranke merkt an einem Fingerzwicken, ob der Pflegende lieber wo anders wäre, oder etwas anders täte.
    Der Arbeitgeber fühlt den verborgenen Unwillen genau.
    Den Ehemann, dessen Gewissen schlecht ist, reizt die Geduld seiner Frau über die Maßen. Die Geduld, die im geringsten zur Schau getragen wird, und die nicht aus Liebe entspringt, wird nie eine Wohltat sein, sondern ganz im Gegenteil, eine Pein und ein Vorwurf für alle. Manchmal hat man jahrelang Geduld und bricht in einem unbewachten Augenblicke los, zerstört damit die Arbeit von Jahren, das Verhältnis eines ganzen Lebens und steht vor sich selbst erniedrigt da. Man fange nicht mit geduldigem Tragen an, wenn man es nicht sein Lebenlang durchführen kann.
    Ein Augenblick der Ungeduld kann alles vernichten, was man mit Jahren der Aufopferung gebaut hat.
    Und es ist so schwer, garnicht ungeduldig zu sein! Es ist eine Art von göttlicher Erhabenheit über das Weh, über Schmerzenspein, über Unverstand der Menschen, über des Schicksals Tückeund Unbegreiflichkeit, über die Enttäuschungen, die das Leben bringt, über die Schwächen, die oft unangenehmer sind, als Sünde und Verbrechen! Es gibt nichts, das nicht oft und viel unsere Geduld auf die Probe stellt. Und bis wir lächelnde Götter sind, geht manches Jahr ins Land, wenn wir überhaupt jemals diese Ruhe erreichen; wenn wir nicht immer den einen nehmen, um den andern mit ihm durchzuprügeln, und uns selbst an den ersten Nagel aufhängen, weil wir's in der Welt meinen, nicht mehr aushalten zu können.
    Geduld ist in unsern Augen ein göttliches Attribut, weil wir nicht verstehen, wie soviel Torheit geduldet werden kann. Nun gibt es aber für die Gottheit gar keine Geduld, sondern Weisheit. Es ist nur Unweisheit, die ungeduldig macht. Wenn wir stets den Schädelbau eines jeden im Auge behielten, so würden wir nicht von ihm verlangen, was er nicht kann, so würden wir uns nie mehr streiten, nie mehr aufbrausen, nie unfreundlich werden, sondern lächeln
     

Dunkel
    Woher kommt wohl unsere große Sehnsucht nach dem Lichte und unsere kindische Furcht vor der Dunkelheit? Denn die Dunkelheit ist dir furchtbar, liebe Seele, du hast Angst, wenn es dunkel ist und meinst, daß alles Böse wacht, die Sorge, die Angst, die Krankheit. das Verbrechen, das schlechte Gewissen, ja die Tiere der Nacht erfüllen uns mit Grausen. Der traurige Ruf des Käuzchens hat von jeher für unglückbringend gegolten, da, wo man nicht im Walde wohnte, und daran nur die wechselnde Jahreszeit erkannte.
    Das ist doch nur, weil es dunkel in dir ist, liebe Seele, denn wärest du hell, so würden deine Nächte lauter Licht sein, durch die Helle im eignen Hirn. So aber läßt du die Nacht eindringen, und ihr Heer von Gespenstern, die Gespenster der Angst, der Reue, des Zweifels, der Sorge, und wie sie sonst heißen. Schrecklich sind sie alle und haben scheußliche Gesichter, und machen deine Nächte zu einer Höllenpein.Das ist nur Kraftlosigkeit, liebe Seele, du könnest stärker sein als deine Nachtgedanken, du weißt doch, daß der Tag sie verscheucht, daß die Dinge, welche bei Nacht unerträglich sind, im Lichte des Tages

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