Gefluesterte Worte
daß man es hat mit hundert Ketten heiligen und stark machen wollen, und das eben doch ein lockeres Band bleibt, wenn es nicht im Himmel geschlossen und angekettet ist.
Sobald in der Ehe der Gedanke an Geduld auftaucht, ist sie eigentlich schon keine Ehe mehr, denn die Liebe ist fort, auf der dieses Verhältnis sich allein aufbauen und erhalten kann. Geduld heißt, daß kein Verständnis da ist. Denn, was man ganz tief versteht, das bedarf keiner Geduld, das ist selbstverständlich, natürlich, einfach klar. Nur, was man nicht versteht, daran schleppt und zerrt man sein ganzes Leben und macht doch nie etwas Ganzes daraus. Geduld ist das traurige Versteckenwollen, daß man nicht glücklich ist und sich garnichtversteht. Geduld ist das gegenseitige Übereinkommen, trotz alledem in Frieden zu leben, obgleich nichts gemeinschaftlich ist zwischen den Eheleuten. Da bleibt schließlich nichts anderes übrig als die Geduld. Denn alles, was der andere tut und sagt, ist schon unangenehm und macht keine Freude, selbst wenn es gut ist. Und der Liebe erschienen die Fehler wie Eigenschaften.
Der Liebe ist jede kleine Schwäche und Eigentümlichkeit lieb. Der Liebe ist jedes Opfer willkommen, da es garnicht als solches empfunden wird. Da, wo die Geduld anfängt, ist schon alles verfehlt, und das Leben eine traurige Komödie. Es ist vor der Welt anständig so, und gewiß noch ein Vorteil, sie nicht in das Elend einer verfehlten Ehe hineinblicken zu lassen. Aber beide zerren an einer Kette, die sie bei jedem Schritte ins Fleisch schneidet, wenn sie nicht Schritt halten, wie die Galeerensklaven. Nun schreiten die Menschen zur Lösung dieses Verhältnisses eher, als zu manchen andern, weil es durch seine Intimität schneller unerträglich wird. Man weiß nicht, ob es ein Gewinn ist. Ist es für die Kinder besser, wenn sie den Unfrieden nicht mehr sehen?Dann sollten aber beide darauf verzichten, eine neue Ehe einzugehen. Bei manchen Völkern ist das ja auch Gesetz, in anderen hat man dieses nicht durchführen können, und eigentlich ist es im Gefühl der Menschen, daß man lieber aushalten als sich scheiden sollte, außer in den Fällen, wo die Gesundheit einer ganzen Familie und vielleicht mehrerer Generationen auf dem Spiele steht.
Die Frage ist wohl die schwierigste und zarteste, die es gibt, und wird nie gelöst werden außer durch einen viel höheren Standpunkt, auf welchem beide Eheleute einmal stehen werden. Wenn sie zur Einsicht gelangen, daß sie sich geirrt haben und eigentlich nicht zusammen gehört hätten, dann sollten sie sich fragen, zu welchem Zweck sie es haben tun, und sich scheinbar irren müssen, zu welchem Dienste für die Menschheit sie wohl berufen waren, und welchem Kinde sie haben das Leben schenken sollen. Denn die Ehe hat in sich den einzigen Zweck, Kinder zu zeugen und zu schützen, bis sie sich selbst beschützen können. Nun entsteht aber die Schwierigkeit, daß die so gezeugten Kinder in ihrem Charakter alle Mühe haben, die beiden zu ungleichen Naturender Eltern in Einklang zu bringen, sodaß es ein sehr zweifelhaftes Glück ist, das man ihnen auf ihren Lebensweg mitgibt. Vielleicht aber sind die Kinder so verschieden gearteter Eltern gerade dazu bestimmt, etwas ganz Besonderes zu sein, und Besonderes zu leisten für die Menschheit. Es gibt Kinder der Liebe, die nicht so wunderbar begabt sind und schön ausfallen, wie man es gewöhnlich sagt, und es gibt Kinder der Pflicht, die hochbegabt sind, und von vornherein sehr viel selbstloser als diejenigen, die in dem großen Egoismus zu Zweien, den man im gewöhnlichen Leben Liebe nennt, gezeugt worden sind. In der Ehe sollte man ebensowenig an sich denken, wie in allen anderen Dingen, und hier fühlen die meisten Menschen ein Recht, nur an sich zu denken, und tun an der Menschheit ein großes Unrecht, denn sie sind nur dazu da, um der Menschheit vollkommenere, reinere, edlere Wesen zu schenken, als sie es vielleicht selber sind. Würde man die Ehe von vornherein als ein heiliges Opfer ansehen, als eine vollkommene Selbstentäußerung, so würde man vielleicht weiter kommen, nicht glücklicher sein, das ist eine andere Frage. Denn es ist eine Frage überhaupt, ob man aufder Erde ist, um glücklich zu sein. Und wenn man der Menschen Schicksale und der unschuldigen Tiere Leiden sieht, so ist das irdische Glück mehr als zweifelhaft, und die Bestimmung der Erde erscheint in einem ganz anderen Lichte.
Die Ehe trägt in jedem Volke das Gepräge, dessen dieses
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