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Gefluesterte Worte

Gefluesterte Worte

Titel: Gefluesterte Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Sylva
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Schläge deines geängsteten Herzens zählen, denn er hat nächtelang seine Herzschläge zählen können, gegen sein Lager, in den Schläfen, in den Halsadern, in den Lippen, überall, wo es Pulse gibt, und weiß, was man da empfindet. Er hat gemeint, die umgebende Dunkelheit sei mit der Hand zu greifen, und mit den Augen zu fühlen, wie eine Hand, wie eine Macht, die unüberwindlich schrecklich war, und nun steht er im Lichte der Sonne, mit weißen Haaren aber lächelndem Munde, und hat das hinter sich gelassen, was über seine Kraft zu gehen schien, als es da war. Die Dinge verschieben sich. Ein Staatsmann sagte, jede Situation dauere nur drei Monate, dann verändere sie sich genug, um eine andere Handlungsweise einschlagen zu können und manchmal sich herausschlagen zu können und manchmal sich herauszuwinden, da, wo man gegen Mauern rannte.
    Der Fluß geht auch zuweilen auf türmende Felsen zu, und du glaubst, er kann nicht weiter, er wird sich stauen, aufbäumen, austreten, alles überfluten, aber weiter könne er nicht, und siehe, da hat er sich rings um den Felsen her einen Weg gebahnt, ihn ganz und gar umgangen,und fließt jenseits so ruhig weiter, als hätte nie ein Hindernis seinen Weg gekreuzt. Gerade so geht es dir, liebe Seele, du siehst nichts als unüberwindliche Felsen vor dir, und weißt garnicht, daß schon ein Weg vorgesehen ist, daß du die türmenden Schrecken umgehen magst und weiterziehen in das Licht hinaus.
    Der Ausweg ist auch nicht immer freudevoll, sondern oft so, wie du ihn nicht gewünscht hättest, aber du weißt nicht, wie sicher du entrinnst, du weißt nicht, daß der Weg, der dir eben nicht gefällt, der einzig gangbare für dich ist, und eingeschlagen werden muß, zu deinem und der andern Frommen.
    Deine düsterste Nacht kommt daher, weil du denkst, daß du andre in dein Unglück verwickelt hast, daß sie deinethalben leiden, daß ihre Angst hätte erspart werden können, hätten sie dir nicht vertraut und deiner Führung. Aber, liebe Seele, du bist so unwissend, warum ließen sie sich führen, die ebensogut allein gehen konnten! Laß dich nicht so erdrücken!
    Sie mußten vielleicht auch ihre dunklen Stunden erleben, und du bist das unwillkürliche Werkzeug gewesen, das sie hat hinein- und vielleicht hindurchführen sollen. Du wolltestihnen Glück bereiten und gerade das Gegenteil ist eingetreten, und nun ringst du die Hände in deiner Machtlosigkeit, gut zu machen, was du verfehlst. Es scheint dir das fast so wie schwere Sünde in deiner Not und Angst, in deiner dunklen Nacht, Seele, du hast den klaren Überblick nicht mehr, und wenn das Herz so schlägt, beschuldigst du dich selber jeder bösen Tat. Wenn man dich in solchen Nächten eines Verbrechens beschuldigen würde, so wüßtest du nicht sicher, ob du es nicht vielleicht begangen hättest. So groß ist deine Angst. Darum ist es so grausam, zu vollkommener Einzelhaft Menschen zu verurteilen, die oft nicht mit ihren Gespenstern fertig werden können, da sie keine Bildung, keinen Trost haben; denn das Dunkel der begangenen Tat, das ihnen unablässig droht, gewährt ihnen nicht die Möglichkeit, auch nur von fern eine Rettung aus ihrer eignen Qual zu sehen. Wenn dann völlige Umnachtung des Geistes eintritt, so ist es nicht das, was wir an unsern Nebenmenschen tun sollten, denen wir helfen müßten. Wissen wir denn, warum wir uns für besser zu halten berechtigt sind? Wer sagt uns, daß wir in irgend einer früheren Existenz nicht auch einmal Verbrecher gewesensind? Das Verbrechen ist doch nichts weiter als ein geringerer Grad von Entwicklung, wo allen Leidenschaften noch freie Bahn gelassen wird, das Mein und Dein nicht deutlich erkennbar ist, und die Rache ein alles überwältigendes, unbezähmtes, und unzähmbares Gefühl ist. Statt diese Menschen als Wilde zu behandeln, die bildungsfähig wären, halten wir sie für gefährlich, und retten uns vor ihnen, indem wir sie zur ewigen Nacht verurteilen.
    Aber wenn du, der du nicht eingesperrt bist wegen deiner Tat, der du nicht einmal von andern für so sündhaft gehalten wirst, als du dich selber hältst in deiner Angst, schon solche Qual leidest, was muß der Arme leiden, der sich selbst nicht entrinnen kann, dessen Nächte so lang sind, wie die Jahreszeit sie macht, ohne Erbarmen, ohne Hilfe! Eine solche Hölle haben wir doch wohl kaum das Recht, unsern Nebenmenschen aufzuladen. Man spreche dann wenigstens nicht so heilig von Besserung und nützlicher Strafe. Keine Strafe ist

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