Gefluesterte Worte
solltest du nicht weinen? Es weinen viele, und oft noch bitterer als du! Hast du schon ganz genau gesehen, wie oft dir geholfen wird, und wie mancher Trost bei dir einkehrt? Manchmal weisest du dem lieblichsten Troste selbst die Türe, und willst den Lichtstrahl garnicht haben, der durch deinen geschlossenen Laden eindringt.
Trotze nicht dem Schicksal und nicht demHimmel, denn beide sind stärker als du, und werden dir den Nacken beugen bis in den Staub. Du bist zu stolz, um im Staube zu liegen?
Meinst du? Jedermann ist stolz, und keiner liegt gern im Staube. Es haben es aber schon viele tun müssen, und haben das Antlitz lange nicht erheben können, dann waren sie ganz demütig dankbar für den ersten Sonnenstrahl. Du bist von einem furchtbaren Geschick getroffen, liebe Seele, von einer dauernden Prüfung heimgesucht? aber du hast ja Flügel, du brauchst dich nicht zu Boden drücken zu lassen und zu verzagen! Dein Schicksal kann sich in deiner Hand in Segen verkehren für dich und die andern, sobald du nur hell machst bei dir, und nicht dich in die Dunkelheit der Verzweiflung und des Murrens vergräbst.
Du hast ein Gefühl, als könntest du aus dem Sumpfe nicht heraus, in den du dich verurteilt wähnst. Aber Gott ist nicht so erbarmungslos wie die Menschen, er hat keine ewigen Verurteilungen, sondern es kommt die Erleichterung der Pein, und die Hilfe in der Not, wenn du es am wenigsten erwartest, schließe nur nicht alle Tore zu, das ist dein Fehler. Denn der Jammer hat seine besonderen Fehler und Versuchungen,und es gibt eine Selbstsucht des Elends und der Verzweiflung, die schlimmer ist, als das Elend selbst. Trotzen und Verzagen reizen das Schicksal, seinen Mut an uns zu kühlen. Es kommt eine Hand, die führt, wie der Engel an der Martinswand, glaube es nur! Wer Gott vertraut, dem schickt er immer einen Engel, bevor er zu Grunde geht und hilft ihm heraus. Darum ist es ein so großer Fehler, zu denken, daß wir nur Erdenwürmer sind, und daß unser Schicksal Zufall ist.
Es gibt in der Welt keinen Zufall für den. der tief in das Geräder hineinzublicken die Gelegenheit gehabt hat. Da greift alles in einander in der wunderbarsten Ordnung. Das muß erlitten werden, was du erleidest. Sei doch nicht so kleinmütig, liebe Seele! Dein Hunger wird gestillt werden, dein Bangen in Kraft sich verwandeln, deine Finsternis wird lauter Licht, glaube es fest, wie der Seemann an seine Sterne, und du wirst siegen!
Eifersucht
Eine der großen Qualen deines Daseins, liebe Seele, ist die Eifersucht, mit der Liebe und Freundschaft dich quälen. Du meinst, alle müßten sich unter einander lieb haben, die du lieb hast. Dem ist aber nicht so. Jeder möchte dich für sich allein haben, ungeteilt, und daher kommt so viel Leidwesen, daß du oft weniger geliebt sein mochtest, um nicht so geplagt zu werden.
Du mußt hundert Ausflüchte finden, wo du ehrlich und einfach sein möchtest. Du kommst beinahe zu einem Gefühl von schlechtem Gewissen, nur, weil du nicht alle zufrieden machen kannst. Das schlechte Gewissen kommt überhaupt meistens durch andere Leute und deren Vorwürfe. Denn vor sich selber hat man oft kein Unrecht getan, wenn man ganz unerwartet gescholten und übel behandelt wird. Daher kommt dann diese Unruhe und Gewissensangst, die aber in nichts anderem ihren Grund hat, als in der wahrhaft qualvollen schlechten Laune deiner Umgebung.
Dir ist es manchmal vollständig unbegreiflich, daß Menschen, die dir lieb sind, sich unter einander anfeinden, und du brauchst oft lange Zeit, ehe du den wahren Grund entdecken kannst.
Eifersucht ist eines der Dinge, welche aus der Erde eine kleine Hölle machen, dem der von ihr besessen ist, und dem der sie erduldet. Wenn du kein Verständnis dafür halt, so quält sie dich noch mehr, denn sie überrascht dich immer, wenn du ihr Vorhandensein am gründlichsten vergessen hattest. Und sie nimmt so viele Formen an. Man versteht, wenn ein Mann seine Frau lieber nicht tanzen sieht; man versteht es weniger, wenn er ihr ein interessantes Gespräch über Kunst und Wissenschaft nicht gönnt, wenn sie gewandt genug ist, ihre Person ganz aus dem Spiele zu lassen. Man versteht, wenn ein Mann weibliche Freundschaften für seine Frau mehr fürchtet als männliche. Denn nie wird ein Mann einer Frau etwas Ungehöriges zu sagen wagen, wenn sie ihn nicht dazu herausfordert, wogegen Frauen einander zuweilen sehr sonderbare Dinge erzählen, deren Wissen nicht gut und heilsam ist. Nun aber kommen ganz
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