Gefrorene Seelen
Geschäft am Mittwochabend – wie jeden Mittwochabend –, und ich habe ihn nie wieder gesehen. Das ist traurig. Billy war ein wirklich netter Junge. Aber ich habe ihm nichts getan, das schwöre ich.«
»Und diesen jungen Mann, kennen Sie den auch nicht?« Cardinal zeigte ihm das Foto von Keith London, auf dem man ihn Gitarre spielen sieht.
»Nein. Ich kenne doch nicht jeden Jugendlichen, der Gitarre spielt.«
Sutherland war durch das Foto nicht merklich berührt worden. Er war verängstigt, ja, aber das Bild von Keith London stellte offenbar keine unmittelbare Bedrohung für ihn dar. Cardinals Gewissheit begann zu bröckeln. Er holte Katie Pines Foto hervor.
»Das ist das Mädchen, das ermordet wurde. Ich kenne es aus der Zeitung. Davon abgesehen glaube ich nicht, ihr jemals begegnet zu sein.«
»Sie war hier bei Ihnen, zwei Tage, bevor sie verschwand. Sie kaufte einen von den Anhängern, die die Form von Musikinstrumenten haben. Sie verkaufen solche Anhänger.«
»Sie könnte sie auch anderswo bekommen haben.«
»Sie hat den Anhänger hier gekauft.«
»Aber ich sage Ihnen doch, ich habe das Mädchen nie gesehen.Sehen Sie doch in der Bestandskontrolle nach, da muss es drinstehen.«
»Bestandskontrolle?«
»Wir haben schon seit Jahren eine EDV-Bestandskontrolle. Ich kann Ihnen sagen, wer dem Mädchen den Anhänger verkauft hat. Es ist ja nicht so, dass wir Tausende davon verkaufen. Drei oder vier im Monat, schätze ich mal.«
Als sie aus dem Übungsraum traten, rief Alan Troy: »Was ist los, Carl? Worum geht es eigentlich?« Doch Sutherland beachtete ihn gar nicht, sondern führte Cardinal und Delorme zu einem rückwärtig gelegenen Büro. Unter Stapeln von Rechnungen fast begraben, flimmerten auf einem Computerbildschirm lange Zahlenkolonnen. Sutherland setzte sich vor den Bildschirm und tippte ein paar Befehle ein. Der Bildschirm wurde dunkel bis auf den Cursor in der linken oberen Ecke.
»Haben Sie das Datum?«, fragte er, ohne aufzublicken. »Das Datum, an dem das Mädchen verschwand?«
»Am zwölften September vergangenen Jahres. Den Anhänger hat sie zwei Tage vorher gekauft.«
»Schön. Jetzt brauche ich noch die Artikelnummer.« Er nahm einen Katalog von der Dicke eines Telefonbuchs zur Hand und blätterte so lange, bis er das Gesuchte gefunden hatte. Er gab die Nummer ein. »Jetzt müsste das Programm uns sagen, wie viel wir davon im vergangenen Jahr verkauft haben.« Während des Wartens trommelte er mit den Fingern auf den Tisch. »Sieben. Schön …« Dann gab er einen weiteren Befehl ein, der monatliche Absatz.
»Zehnter September.« Delorme zeigte auf den Bildschirm. »Zwei Tage vorher.«
Sutherland bewegte die Maus und klickte. Auf dem Bildschirm erschien die Kassenquittung. Er tippte mit dem langen Fingernagel seiner rechten Hand auf die rechte obere Bildschirmecke. »Sehen Sie dort die Nummer drei? Das ist der Verkäufer. Eins ist Alan, zwei bin ich, drei ist Eric.«
»Wer ist Eric?«
»Eric ist unser Teilzeitmitarbeiter. Eric Fraser. Die meiste Zeit hilft er im Lager aus, aber wenn’s eng wird, über Mittag oder nach Schulschluss, übernimmt er auch die Kasse. Oben links können Sie die Uhrzeit des Kaufs ablesen: 16 Uhr 30. Wenn Sie nun noch einen Blick auf unseren Kalender werfen, erkennen Sie, dass ich zur besagten Zeit Unterricht gegeben habe. So, ich glaube, jetzt wollen Sie Eric Fraser sprechen.«
»Mr. Sutherland, gibt es hier irgendetwas, was Mr. Fraser kürzlich angefasst hat und was sonst niemand berührt hat?«
Sutherland überlegte eine Weile. »Folgen Sie mir.«
Alan Troy hüpfte um Collingwood herum und wollte wild gestikulierend erfahren, was hier eigentlich vorgehe. Sutherland fiel ihm ins Wort: »Alan, hat Eric gestern die Martins geputzt?«
»Ich werde mich beim Polizeichef beschweren. So darf man meine Angestellten nicht behandeln. Diese Beamten haben …«
»Alan, um Himmels willen, sag doch. Hat Eric gestern die Martins geputzt?«
»Die Martins?« Troy sah erst Sutherland an, dann Delorme, dann Cardinal und schließlich wieder Sutherland. »Sie wollen wissen, ob Eric gestern die Martins geputzt hat? Plötzlich scheint sich alles darum zu drehen, ob Eric gestern die Martins geputzt hat. Also gut. Ja, Eric hat gestern die Martins geputzt.«
Cardinal fragte, ob sonst noch jemand die Gitarren berührt hatte. Nein. Es habe wenig Kunden gegeben, Martins sind teuer, niemand sonst habe diese Gitarren berührt.
Cardinal, immer noch in Handschuhen, hob die Arme,
Weitere Kostenlose Bücher