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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Schreibtisch vor seinen Augen hinunterzuschlingen, nur um seinen Gesichtsausdruck zu sehen. »So ist das für alle hier. Wer neu zur Kripo kommt, arbeitet nicht gleich an den wichtigsten Fällen mit. So läuft das hier nicht.«
    »Ich habe sechs Jahre Sonderermittlungen gemacht. Das scheint gar nicht zu zählen, habe ich den Eindruck. Ich will nicht bloß die Eigentumsdelikte für Cardinal abarbeiten.«
    »Jeder hat erst mal mit Raub und Einbruch zu tun. Das gilt auch für Sie, denn erstens«, und nun begann er an den Fingern mit den spatelförmigen Spitzen, die Delorme nicht sehen konnte, ohne sich zu gruseln, seine Gründe aufzuzählen, »ist Cardinal mit einem Mordfall von landesweiter Bedeutung beschäftigt und hat keine Zeit für anderes. Zweitens sind Sie sein Juniorpartner. Und drittens hat Cardinal mich darum gebeten, Ihnen diese Fälle zugeben. Geheimnis gelüftet, Ende der Durchsage. Schließlich sollen Sie ihn doch beobachten, da brauchen Sie irgendeinen Vorwand. Gehen Sie ein wenig auf Abstand. Sie können ja wohl kaum ermitteln, wenn Sie den ganzen Tag mit ihm in einem Zivilfahrzeug sitzen. Sie könnten einmal einen Blick in sein Zuhause werfen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.«
    »Das kann ich nur mit einem Durchsuchungsbefehl.«
    »Selbstverständlich. Ich stelle lediglich fest, dass sie beide Partner sind. Sie werden noch viel Zeit miteinander verbringen. Wenn Sie also einmal bei ihm zu Hause sind, dann, ja, vertrauen Sie Ihrer Vorstellungskraft. Nicht dass ich ihn für schuldig hielte, möchte ich aber gleich hinzufügen.«
    »Ich kann ihn keiner Überprüfung unterziehen, wenn ich alle diese Fälle am Hals habe. Wann soll ich mich mit den Corbett-Akten befassen?«
    »Ich bin bekannt dafür, dass ich Überstunden zu honorieren weiß. Ich bin nicht der Geizhals, als den mich Leute wie McLeod und Cardinal hinstellen.«
    »Bei allem Respekt, Detective Sergeant, aber warum ermitteln wir jetzt weiter? Der Fall Pine ist sicherlich wichtiger als alles andere.«
    »Kyle Corbett ist nicht bloß ein ehemaliger Drogenhändler und neuerdings Kreditkartenfälscher. Er ist ein eiskalter Killer, wie die Leute noch erkennen werden, sobald wir den Satansbraten erst einmal geschnappt haben. Wenn jemand von der Polizei ihn mit Tipps versorgt hat, dann ist das keine Bagatelle. Das ist Korruption, es heißt, mit einem Mörder unter einer Decke stecken. Ein solches Element gehört hinausgeworfen – wenn es denn einer von uns war – und hinter Gitter.«
    »Mir scheint, wir sollten beide nach Toronto fahren und den Gerichtsmedizinern auf die Füße treten.«
    »Die Gerichtsmediziner machen ihre Arbeit, auch ohne dass wir ihnen auf den Hacken stehen. Übrigens, da ist eine ganze Serie von Einbruchsdiebstählen, die ich Sie bitte, bis Ende der Wocheaktenmäßig aufzuarbeiten. Wir kennen den Typ, der dahintersteckt, es geht nur darum, den Burschen festzunageln.«
    Der Wind wirbelte Schneeflocken gegen die Fensterscheibe hinter ihm, die sich als regelmäßiges Trapez auf seiner Glatze spiegelte. Wie gern hätte sie ihn da abgeklatscht.
    Doch mittlerweile war die hübsche indianische Sängerin mit ihrer Wiedergabe von »Ein feste Burg ist unser Gott« fast zu Ende, und der Priester bestieg die Kanzel. Eine Weile sprach er von der Verheißung, die einmal Katie Pines Leben war. Er sprach mit anrührenden Worten von ihrer Intelligenz und ihrem Humor, und das Weinen und Seufzen in den ersten Reihen wurde deutlicher. Wäre nicht das kurze Zögern gewesen, immer wenn er Katies Namen nannte, hätte Delorme gedacht, dass er das Mädchen wirklich gut gekannt hatte. Dann wurde der Sarg mit Weihwasser besprengt. Weihrauch stieg auf. Der dreiundzwanzigste Psalm wurde gesungen. Dann brachte man den Sarg durchs Kirchenschiff zum Ausgang, wo ihn vier Träger behutsam auf einen Leichenwagen hoben und anschließend zum Krematorium fuhren, wo das Wenige, das von Katie Pine noch geblieben war, vollends in Rauch und Asche aufgehen sollte.
    *
    Am Nachmittag desselben Tages holte Delorme eine Kiste mit ihrer persönlichen Habe aus ihrem alten Büro und stellte sie auf dem Schreibtisch ab, wo sie nun Rücken an Rücken mit Cardinal saß. Ohne eine Spur von Schuldbewusstsein sah sie sich seine Sachen an. Büroschreibtische standen dicht nebeneinander; alles, was nicht weggeräumt wurde, lag für jedermann sichtbar da. McLeods Schreibtisch sah aus wie eine Müllkippe aus überquellenden Aktenmappen, Umschlägen, eidesstattlichen Erklärungen,

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