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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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unten in Toronto so lange? Warum müssen wir immer noch auf den Obduktionsbericht warten?«
    *
    Cardinal verbrachte die folgenden zwei Tage damit, sich Klarheit über die Fälle von außerhalb zu verschaffen. Er telefonierte mit den zuständigen Polizeidienststellen und mit den Eltern und anderen Personen, die Anzeige erstattet hatten. Delorme half ihm, wenn sie nicht gerade wegen alter Eigentumsdelikte ermittelte. Sie klärten fünf weitere Fälle. Blieben noch zwei, die mit Algonquin Bay in Verbindung stehen könnten: ein Mädchen aus St. John, das an einer Bushaltestelle hier in der Nähe gesehen worden war, und ein sechzehnjähriger Junge aus Mississauga bei Toronto.
    Todd Curry wurde im Dezember als vermisst gemeldet. Die Meldung kam wie üblich in solchen Fällen in Form eines Fax an alle Polizeireviere. Das Foto war nicht besonders scharf. Etwas fiel Cardinal sofort auf: Die Größe des Jungen wurde mit ein Meter fünfundsechzig, das Gewicht mit siebenundvierzig Kilo angegeben. Einem Mörder mit einer Vorliebe für junge Dachse musste Todd Curry als erste Wahl erscheinen.
    Cardinal rief die Regionalpolizei in Peel an und stellte fest, dass weder die Familie noch Bekannte des Jungen in den vergangenen zwei Monaten von ihm gehört hatten. Die Vermisstenstelle gab ihm den Namen eines Verwandten in Sudbury, Clark Curry.
    »Mr. Curry, hier ist John Cardinal von der Polizei in Algonquin Bay.«
    »Ich nehme an, Sie rufen wegen Todd an.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Von der Polizei höre ich nur, wenn Todd in Schwierigkeiten ist. Wissen Sie, ich bin nur sein Onkel, und ich habe für ihn getan, was ich konnte. Ich kann ihn diesmal nicht aufnehmen.«
    »Wir haben ihn nicht gefunden. Wir sind immer noch auf der Suche nach ihm.«
    »Ein Junge aus Mississauga wird von der Polizei in Algonquin Bay gesucht? Todd scheint die Polizei über die Provinzgrenzen hinaus zu beschäftigen.«
    »Hat Todd seit Dezember mit Ihnen Verbindung aufgenommen, seit dem zwanzigsten Dezember, um genau zu sein?«
    »Nein, die ganze Weihnachtszeit über war er verschwunden. Seine Eltern waren natürlich total aufgelöst, wie Sie sich vorstellen können. Er rief mich aus Huntsville an – an dem Tag, als er abgehauen ist. Er rief mich an und sagte, er sei im Zug, ob er bei mir wohnen könne. Ich sagte ihm, das könne er, aber er ist nie angekommen, und seitdem habe ich nie mehr etwas von ihm gehört. Sie müssen wissen, dass er ein völlig verkorkster Junge ist.«
    »In welcher Hinsicht? Drogen?«
    »Todd war zehn, als er zum ersten Mal an Klebstoff geschnüffelthat. Seitdem ist er nicht mehr derselbe. Manche Kinder probieren Drogen nur mal aus, andere kriegen den Geruch nur in die Nase, und schon wird es ihre Berufung. Todds einzige Freude im Leben besteht darin, high zu sein – wenn man das Freude nennen kann. Dave und Edna behaupten zwar, er sei jetzt clean, aber ich bezweifle das, sehr sogar.«
    »Würden Sie mir einen Gefallen tun, Mr. Curry? Rufen Sie mich an, wenn Sie von Todd hören?« Er gab ihm seine Nummer und hängte auf.
    Cardinal war seit Jahren nicht mehr Zug gefahren, obwohl er sich jedes Mal, wenn er am Bahnhof vorbeikam, an die lange Zugfahrt nach Westen erinnerte, die er mit Catherine auf ihrer Hochzeitsreise unternommen hatte. Sie hatten fast die ganze Fahrt in dem engen, ruckelnden Schlafwagenbett verbracht. Cardinal erkundigte sich bei der Eisenbahngesellschaft CNR und erfuhr, dass Huntsville auf der Nordlinie immer noch der vorletzte Halt vor Algonquin Bay war. Allerdings war nicht in Erfahrung zu bringen, ob Todd in South River oder Algonquin Bay ausgestiegen war. Er konnte in Huntsville geblieben oder auch weiter nordwärts nach Temagami oder sogar Hearst gefahren sein.
    Cardinal ging auf einen Sprung ins Krisenzentrum an der Ecke Station und Sumner Street. In Algonquin Bay gab es keine Jugendherberge, und so landeten jugendliche Ausreißer manchmal im Krisenzentrum, das keine zwei Häuserblocks vom Bahnhof entfernt lag. Die Einrichtung war eigentlich für familiäre Notlagen gedacht – vor allem für geschlagene Ehefrauen –, doch ihr Leiter, ein hagerer ehemaliger Priester namens Ned Fellowes, war bekannt dafür, dass er gelegentlich, sofern Platz vorhanden war, auch Streuner aufnahm.
    Wie die meisten Häuser in der Stadtmitte war auch das Krisenzentrum ein zweistöckiger Backsteinbau. Sein steiles Satteldach aus grauen Schindeln sollte verhindern, dass sich eine große Schneelast bildete. Handwerker, die das Dach

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