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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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reden wir nicht über die üblichen Beziehungsdelikte. Wie stehen die Chancen für ein wirkliches Interview? Ganz vertraulich, ohne Kameras.« Der kühle Blick der Nachrichtenjägerin musterte ihn. Cardinal musste an eine Katze denken, die eine Maus beobachtet.
    »Ob Sie es glauben oder nicht, aber die Dinge überstürzen sich hier. Ich weiß nicht, ob …«
    »Ob Sie es glauben oder nicht, aber die Fernsehleute versuchen nicht, sich dumm zu stellen.«
    »Oh nein. Ich denke keinesfalls, dass Sie sich dumm stellen.«
    Legault ließ nicht locker. »Dann geben Sie mir eine Chance. Klären Sie mich auf.«
    Sie machte jetzt ein ernstes Gesicht, und Cardinal hatte eine Schwäche für ernste Menschen. Catherine war ernst, und er wahrscheinlich auch. »Wenn Sie Katie Pines Mörder das Etikett des ›Windigo‹ aufkleben, spornen Sie ihn nur an, weiterzumachen.«
    »Ist das eine Absage?«
    Cardinal zeigte auf das Haus. »Entschuldigen Sie mich bitte. Die Pflicht ruft.«
    Die Leichenträger – zwei Männer, die für ein Bestattungsunternehmen arbeiteten, wenn sie nicht beim Coroner aushalfen – kamen mit der verhüllten Leiche aus dem Haus und legten sie hinten auf den Wagen. Der jüngere der beiden sah recht mitgenommen aus. Er blinzelte wie ein Maulwurf in das grelle Scheinwerferlicht.
    Delorme kam einen Augenblick später. »Wie nett von Ihnen, mich auch zu benachrichtigen, Herr Kollege. Daran sieht man doch, was Sie von Teamarbeit halten.«
    »Ich habe Sie angerufen. Sie waren unterwegs.«
    »Wenn ich ein Mann wäre, hätten Sie auf mich gewartet. Wenn wir doch nicht zusammenarbeiten, sollte ich zur Sonderermittlung zurückgehen. Sie können das Dyson verklickern.«
    »Sie sagen das so, als wären Sie da ausgestiegen.«
    Sie sah ihn mit durchdringendem Blick von oben bis unten an. »Wissen Sie, dass Sie wie McLeod reden? Ich fürchte, bald leiden Sie auch unter Verfolgungswahn, das kann ich nicht verhindern. Aber ich lass mich jedenfalls nicht davon anstecken.« Sie sah dem Leichenwagen nach. »Bringt man die Leiche direkt nach Toronto?«
    Cardinal nickte.
    »Dieser dämliche Arthur Wood, ich könnte ihn an die Wand klatschen.«
    »Wären Sie bereit, nach Toronto zu fahren?«
    »Heute Abend? Sie meinen zum Gerichtsmedizinischen Institut?« Mit der plötzlichen Aufregung änderte sich ihre Stimme schlagartig. Sie hatte plötzlich etwas Mädchenhaftes.
    »Der nächste Flug geht nicht vor morgen früh, so lange will ich nicht warten.« Cardinal deutete mit dem Kopf auf die dunkle massige Gestalt des Coroners. Barnhouse war in der halben Nachbarschaft zu hören, wie er jemanden wegen irgendeines Fauxpas zur Schnecke machte. »Ich horche noch Barnhouse aus und hole Sie in einer halben Stunde ab. Wir holen den Leichenwagen vor Gravenhurst ein. Ich möchte dabei sein, wenn die Gerichtsmediziner das Paket aufmachen.«

14
    M ord ist in Kanada ein seltenes Ereignis. So selten, dass die meisten der zehn Provinzen des Landes nur über ein gerichtsmedizinisches Institut verfügen, das sich gewöhnlich in der größten Stadt der Provinz befindet. Das verrät Sparsamkeit – und es ist praktisch. Jedenfalls dann, wenn man einen Mord in Toronto oder Montreal aufzuklären hat. Cardinal und Delorme hingegen mussten über dreihundert Kilometer zurücklegen, die meiste Zeit hinter einem Konvoi von Lkws mit Langhölzern. Vor dem Büro des Coroners in der Grenville Street gab ein Sikh in blauer Uniform und weißem Turban telefonisch ihre Ankunft an die Leichenhalle weiter.
    Len Weisman begrüßte sie im Flur und führte sie in ein enges Büro. Er war von kleiner, gedrungener Gestalt und hatte schwarzes krauses Haar. Er trug eine Brille mit dunklem, modischem Rahmen, einen weißen Laborkittel und – ungewöhnlich in einer klinischen Umgebung aus weißen Kacheln und Linoleum – Ledersandalen.
    Ehe Weisman zum Leiter des Leichenschauhauses ernannt wurde, hatte er zehn Jahre lang als Mordermittler gearbeitet. Sein Dienstausweis und die Schulterstreifen eines Sergeant hingen eingerahmt an der Wand hinter dem Schreibtisch. Daneben befanden sich gerahmte Zitate und ein Foto, auf dem Weisman händeschüttelnd mit dem Oberbürgermeister von Toronto zu sehen war.
    »Nehmen Sie doch Platz«, forderte er sie freundlich auf. »Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
    Zu Hause im Leichenschauhaus!, dachte Cardinal und fragte sich, ob Delorme dasselbe dachte. Sie war jedenfalls stiller als gewöhnlich. Im Flur waren sie an einer Toten vorbeigekommen, die kaum

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