Gefrorene Seelen
Rippe. Bisher keine körperfremden Gegenstände.«
»Der dunkle Schatten da«, sagte Delorme und zeigte auf einen runden dunklen Fleck auf dem Schirm. »Das ist nicht etwa eine Kugel, oder doch?«
»Vermutlich ein Medaillon oder ein Kreuz.«
Das Bild änderte sich, nun erschienen die Knochen eines Armes. »Als Nächstes untersuchen wir die Gliedmaßen«, sagte die Pathologin. Sie zeigte auf eine lange weiße Linie, die geborsten war wie ein Highway nach einem Erdbeben. »Abwehrverletzungen am linken Unterarm, Fraktur der Elle und der Handwurzelknochen. Rechter Unterarm mit ähnlichen Verletzungen der Elle … Das Schlüsselbein ist glatt durchgebrochen.«
Der Kopf steckte immer noch in dem blutigen Kissenbezug, doch nun erschien die zerschmetterte Knochenschale des Schädels auf dem Leuchtschirm. »Ja«, setzte die Pathologin wieder an. »Offenbar ein multiples Schädeltrauma.« Dann sprach sie wieder in die Wechselsprechanlage »Brian, wir haben da eine weiße Linie ungefähr in der Mitte des Bildes. Könnten Sie das etwas schärfer einstellen?«
»Das Bild ist scharf, Frau Doktor. Irgendetwas steckt da fest.«
Die Pathologin betrachtete die Aufnahme aus größerer Nähe. »Es könnte ein Eispickel sein. Oder ein Schraubenzieherschaft,der von oben durch die Schädeldecke hineingetrieben wurde. Dabei muss der Griff abgebrochen sein.«
Mehrere Scheitelbeinknochen waren ebenfalls gebrochen. Die Pathologin fasste den Befund rasch zusammen. Alle Verletzungen seien vermutlich mit einem Hammer zugefügt worden.
Der Röntgenapparat wurde abgeschaltet, der hohe sirrende Ton verstummte und hinterließ eine geisterhafte Stille.
Alle im Raum spürten die Traurigkeit. Vor ihnen lag ein jugendliches Opfer, das sich erfolglos gegen schreckliche, todbringende Schläge zu wehren versucht hatte. Und der Tod war nicht sofort eingetreten. So trostlos und unergiebig das Leben des sechzehnjährigen Todd Curry auch gewesen sein mochte, er hatte nicht verdient, so zu sterben.
Vlatko Setevic vom chemischen Labor gesellte sich zu ihnen. »Ihr Cops aus dem hohen Norden«, legte er los, »bringt ihr uns auch mal Leichen, die nicht gefroren sind?«
Setevic rollte eine Bahn weißes Papier von einer Rolle am Ende des Tisches ab. Behutsam hoben sie die immer noch verhüllte Leiche an und legten sie auf die Papierunterlage.
»Na schön«, sagte Setevic, »jetzt lösen wir die Hülle, dann ziehe ich sie vom Kopf und lege sie hier auf die Unterlage. Es wird eine Weile dauern, weil ich sehr vorsichtig sein muss.«
Setevic machte sich äußerst behutsam an diese Aufgabe, während Dr. Gant und ein Assistent die mit Ruß und Blut beschmutzte Plastikhülle von der Brust des Opfers abstreiften. Ein weiterer Assistent machte Aufnahmen. Das Plastik war mit dünnem Band, wie man es für Jalousien benutzt, zusammengeschnürt. An der Innenseite des Plastiks klebte eine dicke Kruste alten Bluts. Das Blitzlicht der Kamera lief wie ein Stroboskop hin und her.
Bei der Leiche veränderte sich an der gekrümmten Stellung nichts.
»Ich habe eine Haar- und Faserprobe von der Außenseite des Kissenbezugs genommen«, sagte Setevic. »Ich analysiere sie nebenan.«
Delorme warf einen Blick auf das Gesicht des Toten und wendete sich gleich wieder ab.
Die Pathologin ging um die Leiche herum, berührte sie aber nicht. »Region des linken Scheitelbeins weist stumpfes Trauma auf, Impressionsfraktur durch einen schweren Gegenstand, vielleicht einen Hammer. In der rechten vorderen Scheitelregion ist eine kreisförmige Impression von anderthalb Zentimetern Durchmesser zu erkennen, auch diese möglicherweise durch einen Hammerschlag beigebracht. Am linken Jochbein ist mit einem stumpfen Gegenstand Gewebe fortgerissen worden.«
»Raserei?«, fragte Cardinal. »Der Mörder scheint sich in Rage gebracht zu haben.«
»Sicherlich hat er in Erregung zugeschlagen, wenn man die massiven Verletzungen betrachtet. Aber andererseits sind auch Anzeichen für planvolles Handeln vorhanden, wenn ich mich nicht täusche. Schauen Sie, die Verletzungen sind symmetrisch. Beide Jochbeine, beide Kieferhälften, beide Schläfenbeine. So viel Symmetrie kann kein Zufall sein. Und hinzu kommt das hier.« Sie zeigte auf einen Punkt am Hinterhaupt. »Hier ist ein Loch im Hinterhauptbein, ein ungefähr zweieinhalb Zentimeter großes, rundes Loch mit gerunzeltem Rand. Das ist der Schraubenzieherschaft, den wir schon auf dem Leuchtschirm gesehen haben. Aber einen Schraubenzieher kann man einem
Weitere Kostenlose Bücher