Gefrorene Seelen
Nichts Großartiges. Nur eine Aufnahme in Vierspurtechnik.«
»Vierspurtechnik? Das wäre ja irre. So was habe ich noch nie gemacht.«
»Wir könnten dich und die Gitarre auf zwei Spuren aufnehmen, das Ganze dann auf eine Spur legen, so dass drei Spuren für Keyboard, Bass und Schlagzeug blieben.«
»Phantastisch. Hast du so was schon oft gemacht?«
»Hin und wieder. Ich bin kein Profi.«
»Ich auch nicht. Aber ich würde das gern mal ausprobieren. Das war doch nicht bloß ’n Scherz, oder?«
»Ein Scherz?« Eric lehnte sich zurück. »Ich mache nie Scherze.«
»Er nimmt das sehr ernst«, bekräftigte Edie. »Er hat zwei Geräte – einen Kassettenrekorder und ein Studiobandgerät. Wenn Eric eine Aufnahme macht, ist das wirklich was Besonderes.«
18
W enn sie langsam sterben sollen, musst du sie in den Bauch schießen. Du jagst ihnen eine Kugel tief in den Unterleib. Dann brauchen sie Stunden, ehe sie abkratzen. Und sie sterben unter höllischen Schmerzen. Die Show ist sehenswert.«
Edie hielt die Luger, wie er es ihr gezeigt hatte, eine Hand stützte die andere, die Füße auseinander, in leicht geduckter Stellung.
Ich komme mir vor wie ein Kind, das Räuber und Gendarm spielt. Aber wenn der Schuss losgeht, ist es ganz unvergleichlich.
»Heb dir den Bauchschuss für besondere Gelegenheiten auf, Edie. Aber jetzt stell dir vor, der Typ kommt dort über den Hügel auf dich zu. Er will nicht mit dir reden, und er will dich auch nicht verhaften. Er hat nur ein Ziel: deinen Tod. Was bleibt dir da übrig? Ihn rechtzeitig stoppen. Es ist dein gutes Recht, den Bastard abzuknallen.«
Mit seinen langen knochigen Händen zeigt er mir, wie man den Abzug betätigt.
»Ein Kopfschuss ist immer das sicherste, verstanden, Edie?«
»Ein Kopfschuss ist immer das sicherste.«
»Du zielst immer erst auf den Kopf, es sei denn, du bist mehr als zwanzig Meter entfernt. In dem Fall zielst du auf die Brust. Das ist das zweitsicherste. Wiederhole. Schuss in die Brust ist das zweitsicherste.«
»Schuss in die Brust ist das zweitsicherste. Schuss in den Kopf ist das sicherste.«
»Gut. Und du schießt immer das ganze Magazin leer. Nicht einen Schuss abfeuern und warten, was dabei herauskommt, sondern das ganze Magazin leerballern. Peng, peng, peng.«
Ich machte einen Luftsprung, wenn er das tat. Ich schrie auf, doch er hörte gar nicht hin, so konzentriert ist er, wenn er mir Schießunterricht gibt. Seine Haare scheinen sich dann zu sträuben, und seine Augen sind pechschwarz.
»Edie, du gibst ihnen die ganze Ladung. Kugelsichere Weste? Na wenn schon. Drei von diesem Kaliber legen jeden flach – zumindest vorübergehend – und verschaffen dir Zeit zur Flucht.«
»Meine Arme fangen an zu zittern.«
Er beachtet mich gar nicht. Er ist ein Marineinfanterist, ein Schleifer, ein geborener Lehrer. Und ich bin seine geborene Schülerin. Ich bin schwach, aber er macht mich stark.
»Durchatmen, Edie. Hol tief Luft und halt die Luft an, bis du abdrückst. Du bestimmst den richtigen Augenblick.«
Wenn Edie zu lange wartete, wiederholte Eric: »Du bestimmst den richtigen Augenblick«, um dann entnervt hinzuzufügen: »Du wärst jetzt schon längst hinüber.«
Edie drückte ab, und der Knall war wie immer lauter, als sie erwartet hatte. »Der Rückschlag ist so stark«, sagte sie, »meine Arme kribbeln richtig.«
»Mach doch nicht die Augen dabei zu, Edie. So triffst du nie.« Eric stapfte durch den Schnee, um nach dem Pappkameraden zu schauen. Als er zurückkam, war sein Gesicht wie versteinert. »Anfängerglück. Ein Treffer direkt ins Herz.«
»Habe ich ihn erledigt?«
»Purer Zufall. Er hätte dir schon längst die Birne von den Schultern gepustet, langsam, wie du bist. Probier’s noch mal. Ziel auf die Brust. Und, um Gottes willen, lass die Augen offen.«
Sie brauchte eine Weile, bis sie wieder so weit war, und er wiederholte seine Anweisungen. »Wie gesagt, wenn sie langsam sterben sollen, schießt du sie in den Bauch. Hast du schon mal einen Wurm am Haken gesehen?«
»Das ist schon lange her. Als ich klein war.«
»Genauso winden sie sich. Aah!« Eric hielt sich den Bauch, ging auf die Knie und ließ sich dann nach hinten fallen. Er wand sich fürchterlich und gab Würgegeräusche von sich. »So machen sie dann«, sagte er, auf dem Rücken im Schnee liegend. »Sie winden sich vor Schmerzen, und das stundenlang.«
»Ich glaube dir, dass du das kennst.«
»Du weißt nicht, was ich kenne«, widersprach ihr Eric kalt. Er
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