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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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nicht bei jedem vorbeifahrenden Lkw klapperten. Davon abgesehen gab es in Cedar Crescent, Cedar Mews und Cedar Place (die Behörden zeichneten sich bei der Wahl der Straßennamen nicht gerade durch Einfallsreichtum aus) kaum Verkehr, und Lkws bestimmt nicht.
    Delormes zweiter Halt galt dem Wohnsitz des ungezogenen Mr. McGrath. Dieser stellte sich als ein kleines Apartmenthaus an der Abzweigung zur Airport Road heraus. Delorme stieg aus undhorchte eine Weile. Eine Maschine der Air Ontario setzte dröhnend zur Landung an. Auf dem Highway 17, der keine fünfzig Meter von hier verlief, rauschte ununterbrochen der Autoverkehr vorüber. Eine schwer mit Einkaufstüten beladene Frau wankte die Eingangstufen hinauf und kämpfte mit ihrem Schlüsselbund. Delorme eilte ihr zu Hilfe, hielt die Tür auf und trat, von Dankesworten der Frau überschüttet, mit ihr ein. Nun stand sie im Flur und horchte erneut. Kein Verkehrslärm, nur Geräusche aus den anderen Wohnungen: ein Staubsauger, ein krakeelender Wellensittich und die typischen Fernsehstimmen einer Quizshow.
    Der letzte Name in der Liste klang nach einer kleinen alten Dame: Edith Soames. Schön, ich weiß, dass die Spur zu nichts führt, sagte sich Delorme. Todd Curry und Katie Pine wurden bestimmt nicht von einer alten Dame ins Jenseits befördert, aber manchmal muss man eben mit dem vorlieb nehmen, was man hat. Man klammert sich an einen Strohhalm, nur um irgendetwas in der Hand zu haben.
    Edith Soames wohnte nur zwei Häuserblocks östlich des Hauses, in dem Delorme aufgewachsen war, und das weckte wehmütige Erinnerungen in ihr. Sie fuhr an dem Felsen vorbei, wo ihr im Alter von sechs Jahren ein Spielkamerad namens Larry Laframboise die Lippe aufgeschlagen hatte. An der Ecke befand sich immer noch der North Star Coffee Shop, in dem sie einmal mit anhören musste, wie ihre ehemalige Freundin Thérèse Lortie jemandem sagte, Lise Delorme könne manchmal eine richtige Schlampe sein. Einen halben Häuserblock weiter: die Parkbank, auf der Geoff Girard ihr eröffnet hatte, dass er sie nicht heiraten wolle. Sie erinnerte sich an die heißen Tränen, die damals über ihr Gesicht rannen.
    Sie fuhr an ihrem alten Haus vorbei und versuchte, nicht hinzuschauen, aber im letzten Augenblick bremste sie doch und blickte hinüber. Das Haus sah noch heruntergekommener aus als früher. Auf der schäbigen Veranda hatten sie und Geoff oft stundenlang zusammen unter einer Decke gesessen und sich gegenseitig erforscht.Eines Nachts war ihr Vater plötzlich herausgekommen und hatte den Freund unter dem Geschrei der sechzehnjährigen Lise bis zur Algonquin Avenue gejagt. Auf derselben Veranda hatte sie auch zum ersten Mal Sex – mit einem anderen Jungen, nicht mit Geoff. Vielleicht hatte Thérèse Lortie damals gar nicht so Unrecht.
    Nun, ihr Vater war schon lange aus ihrem Leben verschwunden – er war irgendwo westlich von Moose Jaw untergetaucht –, und ihre Mutter war tot. Geoff Girard war verheiratet und Vater von vierzehn blonden Kindern draußen in Shepard’s Bay. Das Haus war schon vor langer Zeit in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden, wie die meisten alten Häuser in diesem Viertel.
    Das Haus der Soames war genauso heruntergekommen wie die anderen. Die Fassade aus falschen roten Ziegelsteinen war mit der Zeit schwarz geworden. Die Farbe blätterte um die Fenster herum – alte schwere Sturmfenster – überall ab. Delorme kam plötzlich die Erinnerung, wie ihr Vater mit einem dieser schweren Fensterrahmen balancierend auf der Leiter stand. Wenn draußen Autos vorbeifuhren, klapperten die Fenster immer.
    Die Tür ging auf, und heraus kam eine alte Dame, gestützt von einer jungen Frau in den Zwanzigern, vielleicht ihre Enkelin oder eine Haushaltshilfe. In dicke lange Wintermäntel gehüllt, traten sie vorsichtig auf die Veranda. Das Gesicht der alten Dame verriet die Angst, auf den vereisten Stufen auszurutschen, während die junge Frau sie am Ellbogen stützte und dabei ungeduldig auf die Stufen blickte.
    Delorme stieg aus dem Auto und erwartete beide auf dem Gehweg. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie, ihren Dienstausweis in der Hand. »Ich ermittle wegen einer Einbruchserie hier in der Nachbarschaft.« Tatsächlich hatte Arthur Wood in mehrere Wohnungen in diesem Areal eingebrochen, doch Delorme verschwieg, dass diese Einbrüche schon drei Jahre zurücklagen.
    »Was?«, schrie die alte Frau. »Was sagt sie?«
    »Einbrüche!«, schrie die Jüngere zurück. Sie machte eine

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