Gefuehlschaos inklusive
mich. Jetzt bin ich sie wieder los und ich bin wieder die Alte. Das klingt zwar nur bedingt überzeugend, macht aber meinen derzeitigen Zustand deutlich: klapsmühlenreif!
Nach ein paar Lockerungsübungen richte ich meine Kleidung und begebe mich zur Höhle des Löwen. Kurz klopfe ich gegen den Höhleneingang und trete, ohne auf ein Zeichen zu warten, ein. Eigentlich dachte ich, ihn schwer beschäftigt an seinem Schreibtisch vorzufinden. Zu meiner Überraschung aber wartet er bereits, in bequemer Haltung an seinen Schreibtisch gelehnt, mit verschränkten Armen auf mich.
„So, dann leg doch mal los!“, sagt er und wackelt entspannt mit einem Fuß.
Zögernd drehe ich mich um und hoffe, eine Person hinter mir könnte vielleicht gemeint sein. Ich wäre schon sehr neugierig gewesen, was sie zu erzählen gehabt hätte. Dummerweise bin ich mit Christian die Einzige in diesem Raum. Und die Idee, mir über einen Knopf im Ohr Anweisungen geben zu lassen, was ich sagen soll, kommt mir erst jetzt.
„Es ist so, ich … du … ich meine … ich …“
„Vielleicht sprichst du einfach in ganzen Sätzen.“
Jetzt hat er mich ganz aus dem Konzept gebracht. Was wollte ich doch gleich sagen? Nun fange ich wieder von vorne an.
„Ich weiß, dass ich dir eine Erklärung schuldig bin, aber mir fehlen einfach die richtigen Worte. Du stehst da wie ein Henker. Fehlt nur noch, dass du jeden Augenblick ein Beil hervorholst.“
Christian scheint seinen Humor verloren zu haben, er lächelt nicht einmal mehr.
„Gibt es wirklich gar nichts, was du mir sagen möchtest?“, sagt er freudlos. Doch, unendlich viel. Zum Beispiel … nun ja, es fällt mir gerade nicht ein. Wahrscheinlich liegt es an dem Brett, das jemand vor meinem Kopf abgestellt hat. „Hör zu, Claudia, so hat das keinen Zweck. Ich habe keine Lust, dir alles aus der Nase ziehen zu müssen. Ich denke, es wäre vernünftiger, wenn wir das Gespräch später führen.“
Er geht um seinen Schreibtisch herum und setzt sich. Wenn du jetzt auch noch anfängst zu arbeiten, während ich hier wie Piksieben dastehe, dann hast du einen Feind mehr. Nämlich mich!
Entmutigt sehe ich zu ihm und kann nicht glauben, dass er mich so barsch abfertigt. Ich werde jetzt in mein Büro gehen, mir einen Whiskey einverleiben, eine Zigarette drehen und meine Füße auf den Tisch packen. Dann werde ich den Lauf meines Colts reinigen und auf ein paar Dosen schießen. Enttäuscht verlasse ich Christians Büro.
Der Vormittag vergeht mehr schlecht als recht und lässt mich immer nur an eines denken: wie ich Christian meine Gefühle offenbaren soll, ohne meine Gefühle zu offenbaren? Das ist gar nicht so einfach. Vor allem, wenn einem die eigenen Gefühle selbst nicht klar sind. Trotzdem gibt es da mehr als ursprünglich vermutet.
Zur Mittagszeit habe ich einen Schlachtplan ausgearbeitet: Ich werde ein Gespräch mit Christian führen. Das ist mir zwar bereits einmal misslungen, aber es gibt keine andere Lösung. In Gedanken male ich mir aus, mit Christian in einem kleinen romantischen Restaurant zu sitzen und ihm mein Herz auszuschütten. Auch gehen mir schon ein paar passende Sätze durch den Kopf, die ich mir aber besser noch aufschreiben sollte. Improvisation war noch nie meine Stärke. Ich brauche einen durchgeplanten Dialog. Christian darf nur nicht von seinem Text abweichen, den ich für ihn ausarbeiten werde. Ich sollte ihm eine Kopie des Skriptes zukommen lassen. Zufrieden mache ich mich auf den Weg zu seinem Büro, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass ich mit ihm essen gehen möchte.
Ich klopfe kurz an die Tür und stemme sie im selben Augenblick auf. Verdutzt bleibe ich stehen, als ich Christian zusammen mit einer Frau am Fenster stehen sehe. Er hält sie umarmt und sie lächelt mir entgegen. In der Schule war ich mal in der Theater-AG. Die Schauspielerei ist quasi eines meiner großen Talente. Ich erwidere daher ihr Lächeln gekonnt und erwäge, ihr den Locher ins Gebiss zu drücken. Dann sehe ich sie mir genauer an und erschrecke über ihre Attraktivität. Sicher hat sie Schweißfüße oder Mundgeruch. Einen Makel muss sie doch haben.
Bevor sich eine Träne lösen kann, die gerade mein linkes Auge füllt, renne ich, ohne die Tür wieder zu verschließen, den Gang zurück in mein Büro. Ich muss mich in der Vorstellung geirrt haben. Das war doch nicht mein Film! Hektisch packe ich meine Sachen zusammen. Unkoordiniert lege ich den Kugelschreiber nach links und den Stapel Papiere
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