Gefuehlschaos inklusive
meines Mantels. Christian nimmt mir meine Sachen ab und hängt sie einfach über einen Stuhl.
„Was möchtest du trinken?“, fragt er und begibt sich in die Küche. Ich gehe ihm hinterher und erspare mir, einen genauen Blick auf die Inneneinrichtung des Hauses zu werfen. Zwar bin ich in der Regel äußerst interessiert daran, wie andere Leute sich einrichten, aber Christians Leben geht mich ab sofort nichts mehr an. Ich könnte etwas zum Runterspülen gebrauchen. Vielleicht einen Whiskey oder reinen Alkohol.
„Hast du Mineralwasser?“
Wieso sage ich das Gegenteil von dem, was ich denke? Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit. Es könnte sonst schwierig werden, Anspruch auf die Erfüllung meiner Wünsche zu erheben, wenn ich sie niemals richtig äußere.
„Wir sollten es uns in meinem Arbeitszimmer gemütlich machen. Da haben wir alle Unterlagen, die wir benötigen.“
Ganz wie du wünschst. Hauptsache, wir sind schnell fertig.
In seinem Arbeitszimmer steht ein großer dunkler Schreibtisch einem modernen geschmacklosen Ledersofa gegenüber. Offenbar hat er bei der Einrichtung dieses Raumes keinen Wert auf die Feinheiten gelegt. Alles ist nur zusammengewürfelt. Auch die Regale passen nur bedingt zum Rest der Möbel. Wir sitzen zusammen auf der Couch und gehen ein paar Akten durch. Christian hat sich die Krawatte abgenommen und den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet. Kann ich jetzt auch meine Schuhe ausziehen? Durch die lockere Atmosphäre in seinem Arbeitszimmer lasse ich mich dazu hinreißen, Christian ein wenig näher zu rücken. Ich bemerke erst gar nicht, dass sich unsere Knie berühren. Ich genieße diese Nähe zu ihm und wünschte, er würde seine Arme um mich legen und mich hemmungslos küssen. Doch unser Arbeitsgespräch holt mich immer wieder aus meinen Fantasien zurück, in denen ich Christian sein Hemd herunterreiße und mich wild auf ihn stürze. Bald hat meine Konzentration den absoluten Nullpunkt erreicht, denn irgendwann sehe ich nur noch, wie Christian und ich uns über den Teppich wälzen. Gott, ich muss hier unbedingt weg, sonst schnappe ich noch über. Nach zwei Stunden bin ich froh, als Christian unsere Arbeit endlich für beendet erklärt.
„So, das reicht für heute. Und ich bin mir sicher, dass ich dich somit auf andere Gedanken gebracht habe.“
„Ja, in der Tat, das hast du, aber es wäre nicht nötig gewesen.“ Was bildet er sich ein? Er muss nicht den Samariter spielen, nur weil ich seinetwegen ein bisschen Liebeskummer habe.
„Ich denke doch“, widerspricht er mir und bekräftigt somit seine soeben getroffene Aussage. Wenn er darauf besteht, verleihe ich ihm gern das Bundesverdienstkreuz für seine selbstlose Tat, sich um mich zu kümmern. Aber er sollte sich lieber um seine neue Angebetete sorgen. Schließlich ist sie heute nicht hier. Stattdessen sitze nur ich auf seiner Couch. Wer weiß, wo sie sich rumtreibt? Möglicherweise tanzt sie in einer Go-go-Bar und versetzt dort alle Männer in Ekstase.
„Ich weiß deine Bemühungen sehr zu schätzen, aber ich habe schon viel zu viel Zeit hier verbracht. Daher ist es besser, wenn ich jetzt gehe.“ Ich nehme den letzten Schluck Mineralwasser aus meinem Glas und stehe auf.
„Bitte bleib“, fleht Christian mich unerwartet an und zieht mich am Arm zurück auf das Sofa. Er rückt mir so nahe, dass sein Gesicht vor meinen Augen verschwimmt. Nur die dunkle Farbe seiner Augen kann ich noch erkennen. Sein weißes Hemd ist leger am Hemdkragen geöffnet und gibt den Blick auf ein Stück Haut seines Oberkörpers frei. Einige dunkle Haare linsen hervor und lassen erahnen, was einen erwartet. Für einen Augenblick erwäge ich, die Knopfleiste zu sprengen, indem ich das Hemd einfach aufreiße, um einen unversperrten Blick auf seine behaarte Brust zu erhaschen. Doch die Vernunft siegt und ich bemühe mich, einen klaren Kopf zu behalten. Christian hat eine Freundin, ist also für mich eine Verpackung, die nicht geöffnet werden darf. Auch wenn ich zu gerne mal unverfänglich hineinschauen würde.
„Christian, es ist besser für uns beide, wenn du mich gehen lässt.“ Warum macht er es mir nur so schwer? Hat er sich vielleicht doch noch nicht entschieden? Besteht eine geringfügige Chance, dass er an seiner Wahl zweifelt?
„Wieso glaubst du das?“, fragt er mich und bringt mich mit dieser Frage ganz durcheinander. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Die Nähe zu seinem Gesicht, sein Duft – ich habe das Gefühl in einer
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