Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
schon rein, in der Kneipe warten doch alle schon wieder auf mich…
    - Ich lass dich nich' rein. Überhaupt, wieso gehst du eigentlich nicht in der Kneipe aufs Klo?
    - Mensch, Helma! Du weißt genau, dass ich lieber zu Hause auf  Toilette… Außerdem ist es vom Tresen aus praktisch gleich weit weg, Helmaaa!
    Ich ging zurück zum Telefon.
    - Helma, was soll ich machen?
    - Nichts. Der Hubert macht das sowieso nich' mehr lange, der schläft bald ganz friedlich vor Ihrer Haustür ein. Lassen Sie den man da liegen, ich hol den dann da morgen früh ab.
    Sie legte auf. Ich beschloss, nichts mehr zu tun, und ging an den Computer zurück. Schließlich war ich nur zu Besuch, und da passt man sich wohl am besten den Gegebenheiten an.
    Hubert rief noch zwei- bis dreimal: Helma!!! Ma maö maää!!! Dann hörte ich nur noch ein Plätschern im Wassereimer vor dem Briefschlitz, danach war Ruhe. Man kann über den Prenzlauer Berg sagen, was man will. Aber ganz gleich, wie modern und hip er auch geworden ist, hier und da lassen sich doch immer noch kleine Inseln der Tradition finden. Kleine Stückchen Berlin, wo die Welt noch in Ordnung ist.

Ich muss mir nichts mehr beweisen
    Es ist noch gar nicht so lange her, da war es mir praktisch unmöglich, wenn ich beim Spazierengehen, zum Beispiel im Park, an einer Gruppe Fußball spielender Kinder vorbeikam, und ein Querschläger, also ein verunglückter Ball auf dem Gehweg, direkt vor meinen Füßen landete, diesen dann einfach nur so wortlos wieder zurückzukicken. Nein. Ich musste erst mal etwas schreien wie: Hola!!! Hab ich! Um dann den Ball aufwendig mit dem Außenspann zu stoppen, ihn elegant zu lupfen, ihn 5-, 6-, ach, besser 20-mal auf meinen Fußspitzen tanzen zu lassen, auch mal hoch zum Kopf, 1, 2, 3, 4, und wieder Knie, Spitze, Hacke, trallala, bis ich ihn dann nach angemessener Zeit mit einem angedeuteten Fallrückzieher wieder präzise aufs Spielfeld zurückbefördert habe. Das zumindest war mein Plan. Meistens hat das mit diesem Ball-tanzen-Lassen nicht so geklappt. Also eigentlich gar nicht. Im Regelfall ist mir der Ball schon beim ersten Lupfen versprungen. Was mich aber keinesfalls dazu veranlasst hat, das Projekt abzubrechen. Im Gegenteil. Dann begann ein relativ würdeloses hektisches Hin-und-her-Gespringe, Gelaufe, Getrete und verzweifeltes Versuchen, wieder Kontrolle über den Ball zu kriegen, der allerdings seinerseits völlig autark handelte. Untermalt nur noch von meinen Ausrufen wie: «Ah, nasser Ball», oder: «Oh, da is' aber auch zu wenig Luft drin!», oder auch: «Mensch, da is' aber auch 'ne ganz schöne Unwucht im Ball!» Natürlich gab es nur einen, der hier nach kurzer Zeit klitschnass war, zu wenig Luft und außerdem auch noch eine ganz schöne Unwucht hatte. Und das war ich, aber ich hab es mir nicht anmerken lassen.
    Dieses bizarre Schauspiel hat sich dann oft ziemlich lange hingezogen. Meist haben die genervt wartenden Kinder irgendwann gegen Einbruch der Dunkelheit ihr Fußballspiel abgebrochen, mir nur noch eine Adresse zugesteckt, wohin ich den Ball bringen sollte, wenn ich mit dem Zurückspielen fertig bin, und sind nach Hause, Playstation spielen.
    Ich befürchte schon, dass die gegenwärtige Nachwuchsmisere im deutschen Fußball nicht zuletzt auch zu einem Gutteil auf mein häufiges Ballzurückspielen in jener Zeit zurückzuführen ist. Tatsächlich kommen die wenigen verbliebenen Nachwuchshoffnungen ja auch komplett aus Orten, wo ich noch nie in meinem Leben spazieren gegangen bin.
    Heute muss ich so was nicht mehr. Heute habe ich endlich die nötige Reife, so einen Ball einfach an mir vorbeikullern zu lassen, die angehenden Berufsfußballer mit einem Satz zu beglücken wie: «Na, das war ja wohl nix! Sieh mal lieber zu, dass de 'nen anständigen Beruf lernst!», und sie dann selber laufen zu lassen. Eines Tages werden sie mir dafür dankbar sein.
    Ich muss mir nichts mehr beweisen. Riesigen Abwaschbergen in der Küche, die mich früher immer beunruhigt haben, in denen ich aber auch eine gewisse Herausforderung sah, begegne ich heute mit einer gewissen Gelassenheit. Ich weiß, dass ich das alles abwaschen könnte, wenn ich wirklich wollte, dann könnt ich das. Ich hab schon oft gezeigt, dass ich so was abwaschen kann. Teller, Tassen, Töpfe. Ich hab's allen gezeigt. Ich muss mir da nix mehr beweisen.
    Oder auch nächtens in Kneipen. Wenn mich früher ein Wirt nach vielen Stunden und Bieren, nachdem ich einige Zeit eigentlich nur noch sinnlos vor

Weitere Kostenlose Bücher