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Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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nicht so schlecht ist, wenn ich erst noch ein wenig Abstand gewinne, bevor ich darüber schreibe.
    Nur eines war noch schön. Der Fahrer vom Rettungswagen nämlich, ein höflicher, adretter, netter junger Mann. Der erzählte dann noch, als wir beim Kindernotdienst zusammen warteten, wie sehr er seinen Beruf liebt und wie glücklich und froh er ist, Rettungssanitäter geworden zu sein. Wenn man bedenkt, dass er als Junge noch den schwachsinnigen Wunsch hatte, unbedingt Fußballprofi zu werden. Und dieses vermutlich ohnehin eigentlich aussichtslose Unterfangen eigentlich nur abgebrochen hat, weil irgendein bekloppter Passant im Park ständig so lange gebraucht hat, den Ball zurückzuspielen, bis ihm irgendwann die Lust am Fußball vergangen sei. Das hat mich dann doch gefreut.

Toter Briefkasten
    In unserem Haus gibt es einen toten Briefkasten. Also einen Briefkasten, der niemandem gehört und der praktisch immer offen ist. Das ist super. So ein toter Briefkasten eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Während man früher bei den Zeitungswerbern auf der Straße für eine gefälschte Unterschrift gerade mal eine einzige Zeitung umsonst bekam, kann man nun einen falschen Namen, aber die richtige Adresse angeben, klebt später den falschen Namen an den toten Briefkasten, und mit etwas Glück bekommt man dann auch noch die Zeitung zwei Wochen lang kostenlos zugestellt, ohne die lästige Abokündigungshampelei. Das ist schön. Man kann sich all die Kataloge, die man sich unter richtigem Namen nie zu bestellen traute, zuschicken lassen. Und später kann man sie, natürlich ohne den neutralen Schutzumschlag, mit einem am Computer gefälschten neuen Adressetikett an missliebige Bekannte verschicken. Und wenn sich einer so richtig danebenbenommen hat, lohnt es sich auch schon mal, persönlich vorbeizugehen und den Katalog so geschickt in den Hausbriefkasten zu stecken, dass Titel und Adressetikett für jeden, der vorbeigeht, auch wirklich gut zu lesen sind. Das macht man am besten frühmorgens, denn die Frühaufsteher im Haus sind meistens auch die Leute, die Tratsch am verlässlichsten weitererzählen.
    Bei Straßenumfragen oder Gewinnspielen kann man immer wieder andere Identitäten annehmen, sich schöne Berufe ausdenken, über die die Adresse Zugang zu ganz anderen Werbeverteilem bekommt. Seit ich mal behauptet habe, ich sei Zahnarzt, bekomme ich von Zeit zu Zeit Prospekte von irgendwelchen Dentallabors zugesandt. Das ist schon interessant, was es da so alles gibt und was das alles kostet, wobei man da auch oft noch verhandeln kann. Ich hab dann aber doch nie was gekauft. Ab und zu sind auch kleine Poster von eitrigen Zahnhöhlen und so dabei, die kann man sich dann ins Bad hängen. So was hat nicht jeder, und man vergisst nie wieder das Zähneputzen.
    Bei den ausgedachten Berufen ist es empfehlenswert, gut verdienende Berufe zu wählen, dann kommen auch ab und zu Einladungen zu irgendwelchen Vernissagen oder Soirees mit umsonst essen und trinken. Meist soll man da dann auch später noch in irgendwas investieren oder spenden, aber muss man nicht. In schwierigen Zeiten kann einen so ein toter Briefkasten schon mal ein paar Tage ernähren.
    Ich finde, jedes Haus sollte so einen toten Briefkasten haben, denn wenn einem bei einem Namen der Werbewust doch mal zu viel wird, nimmt man den Namen einfach vom Briefkasten ab und Schluss ist. In Zeiten, wo fast 40% des gesamten Druckaufkommens in Deutschland Werbung sind, denke ich, sollte es so ein Ventil geben.

Irgendwer hat den Kuchen im Regen stehen lassen
    Wenn man so gegen Mittag in der Wohnung sitzt und die letzten Stunden damit verbracht hat, in alten Zeitungen nach einer plötzlich wichtigen Handynummer zu suchen, welche man vor ein paar Wochen ziemlich sicher wahrscheinlich auf eine dieser Zeitungen gekritzelt hat, gleichzeitig alle 20 Minuten von einer hysterischen fremden Katze angefallen wird, die ansonsten wild fauchend durch die Wohnung strolzt und alles markiert, was ihr vor die Beine kommt, und es gleichzeitig an der Haustür Sturm klingelt, weil unten irgendwelche Polizisten stehen, die nur mal mit einem reden wollen, dann hat man auf den Nachmittag eigentlich schon gar nicht mehr richtig Lust.
    Doch der Reihe nach. Das Ganze ist jetzt ungefähr zwei Wochen her. Sitze im nicht besonders gut sitzenden dunklen Anzug bei einem Italiener in Schöneberg und habe Sorgen. Um meinen Hals baumelt ein Schild, auf das ich mit Edding geschrieben habe: «Dies ist eigentlich ein

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