Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
dass sich die Mitglieder ihrer hiesigen Polizeitruppe gegenseitig an die Gurgel gehen würden.
Das Geschrei war erst vor fünf Minuten an ihren Schreibtisch gedrungen. Alle Polizisten in der Station hatten ihre Schutzwesten angezogen, sich ihre Gewehre gegriffen und waren nach draußen geeilt. Inspektor Alberto Gómez hatte sich eine Sturmhaube über den Kopf gezogen, um seine Identität zu verbergen, und stand jetzt neben ihr. Beide Enden der Straße hatten Einsatzwagen der Bundespolizei abgeriegelt. Vega schätzte, dass wenigstens zweihundert Polizisten in schwarzen Uniformen und Sturmhauben vor dem Gebäude standen und »Gebt das Schwein heraus!« riefen.
Plötzlich stürmten ein halbes Dutzend Beamte in die Station, ohne dass Vega, Gómez oder irgendjemand sonst sie daran hindern konnten. Draußen gingen die Sprechchöre weiter. Dieses Mal konnte Vega einen Namen hören: Lopez, Lopez, Lopez!
Sie kannte diesen Namen sehr gut, und das Blut gefror ihr fast in den Adern. Lopez war einer von Gómez’ Kollegen, ein Inspektor, der fast dieselbe Zahl an Dienstjahren auf dem Buckel hatte. Vegas eigene Nachforschungen hatten ergeben, dass Lopez sauber war und immer das Richtige zu tun versuchte. Er war der Mann, der Alberto Gómez hätte sein sollen. Andererseits hatten sie inzwi schen Gómez’ Telefon angezapft. Außerdem wurde er ständig von zwei Spähern überwacht, die VTF -Leiter Towers ihr zur Verfügung gestellt hatte. Auf diese Weise hatte sie genug Beweise gesammelt, die es der Führung der mexikanischen Bundespolizei erlauben würden, Gómez wegen Korruption und seinen eindeutigen Verbindungen zum Juárez-Drogenkartell zu belangen. Towers wollte jedoch im Moment noch nicht zuschlagen, da Gómez’ Verhaftung das Kartell alarmieren würde. Alle Dominosteine mussten zur selben Zeit fallen.
Gómez hatte diese Galgenfrist dazu ausgenutzt, die Si tuation in seinem Sinne zu manipulieren, bevor Vega rea gieren konnte. Als sie am Eingang der Station ankam, zerrten sechs Mann gerade Lopez aus dem Gebäude, einer von ihnen zog dabei den alten Mann an seinem grauen Haarschopf. Als die Menge Lopez’ glattrasiertes Gesicht erkannte, wurde das Geschrei noch lauter. Einige brüllten jetzt: »Tötet das Schwein!« Die Beamten umringten Lopez. Wenigstens zwei von ihnen drangen auf den alten Mann ein und begannen, ihn mit Fäusten zu bearbeiten.
»Sie erteilen ihm eine Lektion, bevor sie ihn verhaften«, rief Gómez ihr ins Ohr. »Er hat von den Kartellen Geld angenommen und für sie als Informant gearbeitet. Wegen ihm sind Kinder gestorben. Dafür muss er jetzt bezahlen.«
Du verdammter Heuchler , hätte Vega am liebsten gesagt. »Das können sie doch nicht tun. Sie können ihn doch nicht einfach zusammenschlagen!«
Die Gruppe brach in einen Sprechchor aus: »Lopez ist der Teufel und soll zur Hölle fahren! Lopez ist der Teufel …«
Vega zuckte zusammen, als ein anderer Polizist mit einem Bizeps so groß wie ihre Hüften Lopez mit aller Kraft ins Gesicht schlug.
Das war zu viel. Gloria Vega, die frühere Geheimagentin der Army und der CIA , die in die mexikanische Bundespolizei eingeschleust worden war, hatte genug.
Sie gab mit ihrer Maschinenpistole einen Feuerstoß in die Luft ab. Das Rat-tat-tat brachte die Menge kurzzeitig zum Schweigen. Bevor sie wusste, was ihr geschah, legte sich eine Hand um ihren Hals, andere Hände entrissen ihr die MP und noch weitere Hände zerrten sie in die Polizeistation zurück. Sie schrie und versuchte sich zu befreien, aber es war alles vergeblich. Sie schleppten sie nach innen. Dort wurde sie sofort losgelassen, als sich Gómez vor sie hinstellte und sich die Sturmhaube vom Kopf zog. »Sind Sie übergeschnappt?«
»Keineswegs. Welche Beweise haben Sie? Sie können doch den alten Mann nicht zusammenschlagen!«
»Er war mit dem Abschaum im Bett. Also ist er auch Abschaum!«
Sie biss sich auf die Zunge. Nur Gott allein weiß, wie sehr sie sich auf die Zunge biss.
»Ich habe Ihnen erklärt, dass ich versuchen werde, Sie am Leben zu erhalten«, fuhr Gómez fort. »Sie machen mir das jedoch ganz schön schwer, wenn Sie sich so benehmen! Jetzt hören Sie mir bitte gut zu. Lopez ist nicht der Einzige. Die anderen Kommandeure haben genauso viel Dreck am Stecken. Heute werden wir dieses Haus säubern. Entweder Sie helfen uns dabei, oder ich stecke Sie in eine Gefängniszelle, damit Ihnen nichts passiert.«
Sie riss sich jetzt ihre Maske herunter, während das Geschrei draußen immer
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