Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
6 . Juni, 19 . 40 Uhr Central Time
Canadian CRJ 900 LR, zweistrahliges Düsenflugzeug, Hecktriebwerke
76 Passagiere, 4 Besatzungsmitglieder
D ie Flugzeuge würden kurz nacheinander starten. Alle Teams Samads hatten bereits gemeldet, dass ihre Waffen einsatzbereit seien und dass alle ihre Flüge in der Zeit lägen. Dies war nicht selbstverständlich, da einige Sommergewitter angekündigt worden waren. Sa mad hatte jetzt keinerlei Zweifel mehr. Er wusste, selbst wenn er jetzt wegen der Schuld, die er bei der Erinnerung an seinen geliebten Vater empfand, aufgeben wür de, würden Talwar und Niazi und alle anderen ohne ihn weitermachen. Der Dschihad war nicht mehr zu stop pen. Er würde einfach nur als Narr und als Feigling sterben. Bevor sie zu ihrer Mission aufgebrochen waren, hatte er ein Streichholz angezündet und das Foto seines Vaters verbrannt. Die Asche hatte er in das Waschbecken im Badezimmer geschüttet. Sie hatten ihr Nachmittagsgebet verrichtet, und Samad war danach mit zusammengekniffenen Augen und einer geballten Faust losgefahren.
Ein Streifenwagen der Flughafenpolizei fuhr jetzt durch die Wartezone und hielt Ausschau nach unbeauf sichtigten Fahrzeugen. Samad hob sein Handy ans Ohr und tat so, als würde er telefonieren. Wie beim Probelauf beschäftigten sich die anderen Fahrer auch heute wieder nur mit ihren Elektronikgeräten. Über der ganzen Wartezone lag eine unheimliche Stille, die nur ab und zu von einem aufsteigenden Flugzeug unterbrochen wurde.
17 . 36 Uhr.
Samad rief auf seinem iPhone die Flugzeugbestimmungs-App auf. Er hatte allerdings inzwischen herausgefunden, dass deren Informationen immer mit 30 Sekunden Verspätung kamen, aber das spielte keine Rolle. Talwar musste das Ziel nur sehen, und dann würde die Rakete den Rest erledigen.
17 . 37 Uhr.
Die Sekunden wurden zu Minuten und die Minuten zu Stunden. Sein Puls begann zu rasen. Der von den Strahlen der sinkenden Sonne durchzogene Himmel hatte inzwischen eine bläulich-gelbe Farbe angenommen, nur im Osten waren ein paar Fingerwolken zu sehen. Sie würden eine spektakuläre und unbehinderte Sicht auf den Start und das Zielobjekt haben.
Sein Handy vibrierte. Und da waren sie ja: Die SMS -Meldungen von ihren Team-Mitgliedern im Flughafen-Terminal.
US -Airways-Flug 155
Von Phoenix nach Minneapolis
18.42 Uhr Mountain Time
B ereits im Alter von sechzehn Jahren hatte Dan Burleson seinen ersten Alleinflug in einer Cessna 150 über dem ka lifornischen Modesto absolviert. Er hatte zwei Jahre lang alles Geld gespart, das er durch Rasenmähen verdient hatte, um Flugstunden nehmen zu können. Er war im Salinas-Tal aufgewachsen. Dort hatten ihn immer die Schädlingsbekämpfungspiloten fasziniert, die mit ihren Maschinen gewagte Anflüge veranstalteten, um ihre Chemieladung dann über den richtigen Feldern zu versprühen. Er wusste sofort, dass er dies auch tun wollte. In den folgenden drei Jahrzehnten frönte er seiner Flugleidenschaft als Schädlingsbekämpfer über den Baumwollfeldern in Georgia, als Reporter, der die Verkehrsverhältnisse in Florida aus der Luft beobachtete, und als Pilot, der wertvolle Frachten für Banken und medizinisches Untersuchungsgut aus dem Südosten der USA in den Rest des Landes beförderte. Er flog einmotorige Flugzeuge wie die Cessna 210 Centurion und zweimotorige Frachtmaschinen wie die Beechcraft Baron 58 . Er hatte jeden nur erdenklichen Geräteausfall erlebt, war mit nur einem funktionierenden Motor weitergeflogen und wäre einmal beinahe abgestürzt, als ein Gewittersturm seine Maschine einfach auf den Rücken gedreht hatte.
Dan Burleson war also nicht gerade der durchschnittliche Flugpassagier einer Verkehrsmaschine. Natürlich interessierte er sich brennend dafür, was im Cockpit vor sich ging. Er konnte seinen Mitpassagieren genau angeben, wann die Piloten beim Aufstieg zur Reiseflughöhe dem Autopiloten das Kommando über die Maschine übergaben. Der Pilot gab zuvor natürlich über eine Tastatur die gewünschte Höhe und die Richtung ein. Letztere konnte er auch mittels eines Einstellrads festle gen. Wenn ihn zum Beispiel die Flugkontrolle anwies, eine 180 -Grad-Rechtsdrehung zu vollführen, würde er das Einstellrad am FMS (Flight Management System) auf 180 drehen und das Flugzeug würde automatisch via Autopilot in die neue Richtung fliegen. Jedes Mal, wenn er in einem großen Verkehrsflugzeug saß, stellte sich Burleson die Abläufe im Cockpit vor. Man könnte es die Macht der Gewohnheit
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