Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
hart!«
Moores Schwimmkamerad war Frank Carmichael, ein sandhaariger, blauäugiger Junge, den man leicht für einen Berufssurfer hätte halten können. Er hatte immer ein leichtes Grinsen im Gesicht und sprach in einem lässigen Tonfall, der Moore daran zweifeln ließ, dass aus diesem Kerl jemals ein SEAL werden könnte. Carmichael war in San Diego aufgewachsen und hatte zum INDOC einen ähnlichen Weg wie Moore hinter sich. Nach der Grundausbildung hatte man auch ihn für das SEAL -Programm empfohlen. Er meinte, er wäre lieber nach Annapolis gegangen und Mitglied des »Kanuclubs« geworden, wie der Spitzname für die dortige Marineakademie lautete. Aber er hatte auf seiner Highschool zu oft gefaulenzt. Seine Noten waren also für eine Aufnahme in diese Akademie viel zu schlecht. An seiner Schule hatte er nicht einmal an den angebotenen Kursen für künftige Reserveoffiziere teilgenommen. Tatsächlich waren etliche Kandidaten Offiziere: Annapolis-Absolventen, Jungs, die die Officer Candidate School (Offiziersanwärterschule) als O - 1 Ensign (Fähnrich zur See) verlassen hatten, und sogar einige, die bereits einige Zeit auf einem Flottenschiff gedient hatten. In der BUD/S -Ausbildung waren jedoch alle gleich. Jeder musste dieselben Prüfungen absolvieren. Es gab keinerlei Privilegien für Offiziere.
Moore und Carmichael verstanden sich von Anfang an hervorragend. Beide waren Mittelschicht-Jungs, die versuchten, aus ihrem Leben etwas ganz Besonderes zu machen. Sie litten zusammen auf den Strandläufen über 4 Meilen ( 6437 Meter), die sie in weniger als 32 Minuten zurücklegen mussten. Darüber hinaus schien Killian jeden Befehl mit dem Satz »Werdet nass und sandig« zu würzen. Dann rannte die ganze Klasse in die eiskalte Brandung hinein, kam wieder heraus und rollte sich im Sand. Hinterher stellten sie sich wieder in Reih und Glied auf, wobei sie wie Untote oder Mumien aussahen. Danach wurden sie in diesem Zustand zur nächsten Aufgabe geschickt. Sie hatten sofort gelernt, dass man sich hier nur noch im Laufschritt fortbewegte, auch wenn sie die 1 , 6 Kilometer zur Kantine zurücklegten.
Dies war das Jahr 1994 , in dem das Time- Magazin das Internet noch als »seltsame neue Welt« beschrieb. Heute können die Kandidaten zuvor ins Internet gehen und zehnmal mehr über ihr kommendes Training erfahren, als es Moore damals möglich gewesen war. Immerhin widmen sich gegenwärtig ganze Websites dem BUD/S , und man kann sich Streaming Videos und gut gestaltete Sendungen des Discovery Channel über dieses Thema anschauen. Moore und seine Kameraden kannten jedoch nur die Schauergeschichten, die ihnen ehemalige Kandidaten erzählten, und die Gerüchte und Warnungen in einigen wenigen Newsgroups, die sich mit den unsäglichen Schrecknissen befassten, die sie alle angeb lich erwarteten. Waren das alles Übertreibungen? In einigen Fällen schon. Trotzdem konnten sich Moore und Carmichael kaum so gut auf diese Herausforderungen vorbereiten wie die heutigen Bewerber.
Von allen Ausbildungsbestandteilen des INDOC moch te Moore das Schwimmen am meisten. Neben den unterschiedlichen Schwimm- und Gleitstilen brachten sie ihm vor allem bei, wie man sich wie ein Fisch im Wasser fühlte. Auf diesem Feld hatten die SEAL s einen Vorsprung gegenüber allen anderen Waffengattungen. Die Erkenntnisse, die sie bei ihren verdeckten Wasseroperationen gewannen, waren für die Marines und viele andere Kampfeinheiten eine große Hilfe. Moore lernte, unter Wasser auch noch die kompliziertesten Knoten zu binden. Er geriet auch nicht in Panik, als er mit hinter dem Rücken gebundenen Händen versuchen musste, ein Ertrinken zu vermeiden. Tatsächlich entspannte er sich, arbeitete sich mit den Füßen wieder an die Was seroberfläche empor, machte einen tiefen Atemzug, ließ sich wieder sinken und wiederholte diesen Ablauf, während gleichzeitig einige Mitglieder des Kanuclubs in seiner unmittelbaren Nähe ausrasteten und die Übung und damit automatisch auch die gesamte INDOC -Ausbildung aufgaben. Als Moores Ausbilder dann in ihren Taucheranzügen um ihn herumschwebten und darauf warteten, dass er doch noch in Panik geriet, überraschte er sie mit einem unerwarteten Manöver. Er ließ sich bis zum Boden des Teichs hinabsinken und hielt den Atem an …
Fast fünf Minuten lang.
Ein Ausbilder schwamm ganz dicht an ihn heran, schaute ihn mit seinen Käferaugen an, die durch die Maske unnatürlich vergrößert wirkten, und bedeutete ihm durch ein
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