Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
von der Mauer herunterspringen und damit einen schmerzhaften Sturz vermeiden.
Gleichzeitig rutschte Carmichaels Stiefel jedoch von einer der hölzernen Stufen ab. Er rutschte zu Boden und musste ganz von vorn beginnen, was ihn wertvolle Zeit kostete.
Jetzt lagen nur noch ein einziges Hindernis und ein kleiner Sprint vor ihnen. Das Hindernis trug den bezeichnenden Namen »Überschwungstrecke« und bestand aus einem rechteckigen Holzgerüst auf Hüfthöhe, das im Abstand von etwa 1 , 80 Meter von querliegenden Holzstangen unterbrochen wurde. Moore musste jetzt hindurchlaufen, wobei er jede Querstange mit einem weiten Schwung aus den Armen heraus überwinden musste.
»Deine Beine dürfen die Stangen auf keinen Fall berühren!«, warnte ihn Killian. »Nur deine Hände!«
Moore fluchte in sich hinein, als er sich auf diese Weise über die erste Stange schwang. Und noch einmal. Und noch einmal. Carmichael lag dicht hinter ihm. An der letzten Stange rutschte Moore aus und schlug sich an dem Holz das Knie an. Er glitt zu Boden und stöhnte vor Schmerzen. Carmichael zog ihn wieder auf die Füße, fasste einen seiner Arme und legte sich ihn um die Schulter. Zusammen absolvierten sie dann noch den Sprint (in ihrem Fall eher ein Hinkmarsch), um damit den Hindernislauf korrekt zu beenden.
»Carmichael, du hast genau das Richtige getan«, lobte ihn Killian. »Ich habe gemerkt, dass ihr um die Wette gelaufen seid, aber du hast dann doch deinen Swim-Buddy nicht im Stich gelassen. Das war fürs erste Mal gar nicht so schlecht.« Er schaute Moore an und runzelte die Stirn: »Wie geht’s dem Bein?«
Dieses schwoll gerade an wie eine Grapefruit. Moore ignorierte den Schmerz und rief: »Das Bein ist in Ordnung, Instructor Killian!«
»Gut, dann ab zum Strand und ins Wasser!«
Der Hindernislauf war nur eine der vielen Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten. Selbst wenn es gerade einmal kein Training gab, sondern sie »nur« ihre Kasernenstube in Ordnung brachten, mussten sie auf das Schlimmste gefasst sein. Ihre Ausbilder kamen dann schon einmal herein und rissen ihre gesamte Ausrüstung aus den Spinden, um zu sehen, wie sie mit solchen Widrigkeiten zurechtkamen. Moore konnte dies alles nichts anhaben. Als letzten Teil des INDOC übten sie schließlich den Umgang mit ihren Schlauchbooten. Diese waren knapp 4 Meter lang und wogen etwa 80 Kilo. Jede Bootsmannschaft bestand aus sieben Mann. Diese lernten jetzt, wie man ordentlich paddelte, wie man das Boot zu Wasser ließ und wie man dieses schwere Ding auf dem Kopf trug. Man erzählte ihnen, dass sie während der BUD/S -Ausbildung ihr Boot immer dabeihaben würden. Sie führten eine Reihe von Wettrennen durch und mussten sogar Liegestütze machen, während der Gummiwulst des Bootes auf ihnen lastete. Der eher schmächtige Carmichael war trotzdem ein ausgezeichneter Paddler. Nicht zuletzt seinetwegen gewann seine Mannschaft zahlreiche Rennen. Die Gewinner durften sich danach kurz ausruhen. Die Verlierer wurden zu unterschiedlich vielen Liegestützen verdammt. Man brachte ihnen bei, die Brandung zu lesen. Vor allem hatten sie zu lernen, wann sie plötzlich mitsamt ihrem Boot losrasen mussten, damit sie es trotz der schweren Brecher auf eine Weise zu Wasser brachten, dass es nicht sofort kenterte.
Am Ende der zweiten Woche hatten 27 Männer aus Moores Klasse aufgegeben. Killian erzählte den Übrigen mit einem warnenden Unterton, dass dies gute Männer gewesen seien, die sich jetzt für etwas anderes entschieden hätten. Er wollte ihnen dadurch klarmachen, dass man auf gar keinen Fall über diese Aussteiger spotten durfte.
Trotzdem war es eine Tatsache, dass diese niemals ihren Naval-Special-Warfare-Classificatio n (NEC)-Code erhalten würden, der bewies, dass sie die ultimative Prüfung ihrer körperlichen und geistigen Stärke und Motivation bestanden hatten. Ein großes Schild mitten im Ausbildungszentrum erinnerte alle Kandidaten ständig an das Motto der SEAL s: »Der einzige leichte Tag war gestern.«
A m Ende der INDOC -Ausbildung schüttelte Killian Moore die Hand und sagte: »Sie haben großes Talent. Ich möchte, dass Sie sich hier bei uns einen Namen ma chen. Und vergessen Sie nie: Sie sind einer meiner Rekru ten. Also machen Sie mir keine Schande.«
»Hooyah!«
Moore und Carmichael summten fröhlich vor sich hin, als sie ihre Ausrüstung in die Naval-Specia-Warfare-Kaserne brachten. Sie waren jetzt keine Besucher mehr. Ab heute waren sie echte
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