Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Anwärter.
Diese Hochstimmung hielt allerdings nicht lange an.
Bereits in der ersten Stunde der BUD/S -Ausbildung warfen 31 Männer das Handtuch. Dafür gab es ein ganz bestimmtes Ritual: Sie läuteten die Glocke vor dem Büro des Kommandeurs und legten dann ihre grünen Helme mit der weißen Klassennummer in einer sauberen Reihe vor dessen Türe ab.
In dieser Stunde hatten die Ausbilder die Gruppe bis zum absoluten Überlastungspunkt beansprucht: Mehrmals mussten sie sich in die kalte Brandung stürzen und danach im Sand wälzen. Sie mussten auf dem »Schleif platz« die schwierigsten Übungen absolvieren und sich in Schlauchboote werfen, die bis zum Rand mit Eiswasser gefüllt waren. Die Männer zitterten, weinten, litten an Unterkühlung oder verloren sogar das Bewusstsein.
Dabei fingen die Ausbilder gerade erst an.
Immer wieder schickten sie ihre Schützlinge auf Strandläufe über 4 Meilen. Besonders brutal war eine ganz neue Art von Balkentragübung, zu der sie alle in 7-Mann-Teams eingeteilt wurden. Jeder dieser Holzbalken war 2 , 40 Meter lang und wog bis zu 72 Kilo. Einige Balken waren etwas leichter, andere viel schwerer. Die Teams mussten bei dem bleiben, für den sie sich anfänglich entschieden hatten. Sie zogen den Balken in die Brandung, sodass er nass und sandig wurde, dann hoben sie ihn auf den Rücken und marschierten mit ihm viele Kilometer am Strand entlang. Dabei wurden sie von den Ausbildern ständig überwacht, beschimpft und schikaniert, vor allem die kleineren Kandidaten, denen man immer wieder vorwarf, sie würden die Größeren die ganze Last tragen lassen. Moore und Carmichael hielten dies alles stoisch durch und ließen ihren Balken nicht einmal fallen, als der hinterste Mann ihres Teams das Gleichgewicht verlor und in die Brandung stürzte.
Am Ende der ersten Woche hatten neun weitere Kandidaten aufgegeben. Klasse 1 98 bestand jetzt noch aus 56 Mann. Die Helmreihe vor dem Büro des Kommandeurs war auf alarmierende Weise angewachsen. Moore schaute sie jeden Tag mit einer Mischung aus Entschlossenheit und banger Vorahnung an.
Während eines Frühstücks am Ende der ersten Woche sagte Carmichael etwas, das Moore nachhaltig beeindruckte: »Warum diese Jungs aufgegeben haben? Ich glaube, ich weiß, was bei ihnen das Fass zum Überlaufen gebracht hat.«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, in einer Minute sind sie noch eisern dabei und in der nächsten geben sie plötzlich auf. Wie McAllen zum Beispiel. Er dachte gar nicht daran, aufzu geben. Er hatte keinerlei Absicht, aufzugeben, und eine Minute später rennt er den Strand hoch, um die Glocke zu läuten.«
»Und du weißt jetzt, warum er das Handtuch geworfen hat?«, fragte Moore mit einem zweifelnden Blick.
Carmichael nickte. »Ich weiß, warum sie alle aufgeben – weil sie nicht jede Stunde und jede Übung als einzige Aufgabe anpacken. Sie haben zu viel über ihre Zukunft nachgedacht und wie viele Tage sie noch hier leiden müssen, und das hat dann das Fass zum Überlaufen gebracht.«
Moore seufzte. »Du könntest recht haben.«
I n der dritten Woche übten sie, mit ihrem Schlauchboot an einer Felszunge anzulegen und es danach an Land zu bringen. An dieser Stelle hämmerte die Brandung wie ein Heavy-Metal-Schlagzeuger auf die Steinküste ein, und das Salzwasser spritzte ihnen in die Augen, während Carmichael an Land sprang, nachdem er sich die Fangleine um die Taille gebunden hatte. Er kletterte auf den Felsen hoch, suchte nach einem festen Halt für seine Stiefel und lehnte sich dann nach vorn, um sicherzugehen, dass das Boot nicht ins Meer zurück glitt. Moores Aufgabe war es jetzt, sich alle Paddel des Teams zu greifen, aus dem Boot zu springen, zum Felsen hinüberzuschwimmen, aus der Brandung zu steigen und die Paddel auf sicherem Grund zu lagern. Jetzt folgten ihm alle anderen. Jeder von ihnen versuchte, sich aus den hochwogenden Wassermassen herauszuarbeiten, während ihm die Wellen ununterbrochen ins Gesicht schlugen.
Carmichael rief Moore herbei, und gemeinsam zogen sie das Boot aus dem Wasser und die Felszunge hinauf. Wer immer es an Land geschafft hatte, gesellte sich zu ihnen, um ihnen zu helfen.
Als sie es schließlich geschafft hatten, standen sie auf der Felsküste, schnappten nach Luft, und der Wind peitschte ihnen die Gischt ins Gesicht. Ihr Ausbilder schüttelte jedoch den Kopf und schrie: »Viel zu langsam!«
D ie nach vier Wochen anstehende Beurteilung war für die Männer, aber auch für die Ausbilder
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