Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
eine schmerzliche Zeit. Kandidaten, die bisher durchgehalten und ihr Bestes gegeben hatten, mussten die Klasse verlassen, weil ihnen einige der erforderlichen Eigenschaften fehlten. Ihre Kondition und ihre Ausdauer hatten nicht gereicht, um die geforderten Zeiten auf der Hindernisbahn zu erzielen. Dies waren Männer, die das Herz und die Seele eines SEAL besaßen, deren Körper jedoch den Belastungen eines solchen Kämpfers nicht gewachsen waren.
Moore und sein Schwimmkamerad Carmichael über standen auch diese 4-Wochen-Tests und bereiteten sich jetzt auf die berüchtigte und legendäre »Höllenwoche« vor, fünfeinhalb Tage ständiger Trainingsübungen, in denen sie insgesamt nur vier Stunden schlafen durften. Moore zweifelte sogar, ob der menschliche Körper so lange ohne Schlaf auskommen konnte. Sein Chef und die anderen Ausbilder hatten ihm jedoch versichert, dass es die »meisten« von ihnen schaffen würden.
Wegen seiner beispielhaften Leistungen im Wasser und bei den Wettläufen wurde Moore als einer der Team-Führer ausgewählt. Er hatte bereits bewiesen, dass er schneller laufen, ausdauernder schwimmen und den Atem länger anhalten konnte als jeder andere in seiner Klasse. Am Sonntagnachmittag vor dem Beginn der Höllenwoche warteten sie alle in einem Unterrichts raum, in den man sie eingeschlossen hatte. Dort bekamen sie jede Menge Pizza, Nudeln, Hamburger und Hotdogs zu essen, die sie mit Unmengen von Cola hin unterspülen durften. Sie schauten sich die Videos alter Steven-Seagal-Filme an und versuchten, sich zu ent spannen.
Gegen 23 Uhr trat jemand die Klassenzimmertür ein, das Licht ging aus, und ein Höllenspektakel brach los. Von überall her war Gewehrfeuer zur hören. Die Woche der Wahrheit hatte begonnen. Moore ließ sich zu Boden fallen und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass diese Männer trotz des Lärms nur Platzpatronen abfeuerten. Ein Ausbilder hatte ein Maschinengewehr Kaliber . 50 , das so laut war, dass Moore fast den zweiten Ausbilder überhört hätte, der ihnen zuschrie: »Hört ihr die Pfeife? Hört ihr die Pfeife? Kriecht auf die Pfeife zu!« Er und Carmichael folgten dem Befehl, schlichen aus dem Raum und eilten zum Schleifplatz hinüber, wo sie erst einmal mit Feuerwehrschläuchen nass gespritzt wurden, ohne dass ihnen jemand einen Befehl erteilt hätte. Sie konnten nur noch ihre Augen mit den Händen schützen und versuchen, dem direkten Wasser strahl zu entkommen. Schließlich befahl man ihnen, zum Strand und in die Brandung hineinzulaufen. Die Instruktoren schossen immer weiter. Moore schätzte, dass sie mehr als zwei Dutzend weitere Ausbilder angefordert haben mussten, die ihnen während der Höllenwoche einheizen sollten.
Du darfst gar nicht erst ans Aufgeben denken , befahl er sich selbst. Aufgeben kommt nicht infrage.
Jeder schweren Übung folgte die nächste: Gymnastikübungen in der Brandung, Balkentragübungen, und schließlich mussten sie sogar als Team ihr Boot über den Hinderniskurs bringen. Danach befahl man ihnen, es zu Wasser zu lassen und mehrmals an der Felszunge anzulegen. Als sie nach zehn Stunden harter Arbeit an diesem ersten Tag zur Kantine liefen, um Essen zu fassen, mussten sie auch dabei ihr Boot auf dem Rücken tragen.
Da sie am Tag zuvor vor Aufregung kaum geschlafen hatten und danach die ganze Nacht eine Übung nach der andern absolvieren mussten, forderte bereits am Morgen des ersten Tages der Schlafmangel seinen Tri but. Moores Hirn zeigte erste Ausfallerscheinungen. So rief er zum Beispiel nach Ausbilder Killian, bis ihn Carmichael daran erinnerte, dass sie nicht mehr in der INDOC waren, sondern im wirklichen Leben und in der berühmten Höllenwoche. Ihnen allen wurden die Augenlider schwer, sie sagten absolut sinnloses Zeug und führten verrückte Gespräche mit den Geistern in ihren Köpfen.
Dies war vor allem für die Team-Führer ein Problem, die immer genau auf die Befehle ihrer Ausbilder achten mussten. Diese ließen nämlich ganz bewusst ab und zu Anweisungen für eine bestimmte Aufgabe aus, um zu sehen, ob ihre Team-Führer immer noch am Ball waren. Wenn diese den Irrtum bemerkten und ihre Ausbilder darauf hinwiesen, konnten sie die Aufgabe ihres Teams dadurch beträchtlich erleichtern. Manchmal brauchten sie sogar die gesamte Übung nicht mehr zu absolvieren.
Moore war inzwischen jedoch zu erschöpft, stand kurz vor dem Zusammenbruch und hatte wie der Rest seines Teams gar keine Lust auf die drohende
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