Gegen alle Zeit
beschwichtigend die Hände und wiederholte seine Frage: »Seid Ihr die Witwe?«
Bess nickte atemlos und brachte kein Wort heraus.
»Ich kann Euch sagen, was es damit auf sich hat.«
»Womit?«, fauchte der Wirt, packte Mr. Milton am Schlafittchen und riss ihn mit Gewalt zurück. »Du sollst hier keine törichten Reden halten, Kerl!«
»Womit wohl?«, stieß Mr. Milton hervor, während er vom Wirt rücklings zur Tür geschleift wurde. »Mit dem Tod von Mr. Lyon! Ich weiß Bescheid, denn ich hab ihn ja gefunden. Jawohl, das hab ich.«
»Nichts hast du!«, schrie der Wirt wütend und schlug mit den Fäusten auf den Mann ein, als ginge von dem harmlosen Betrunkenen irgendeine Gefahr aus. »Nichts weißt du. Und nichts sagst du! Merk dir das!«
»Es war der Bischof! Merk du dir das, Hornby!«, rief Mr. Milton, bevor der Wirt ihn wie einen Sack voll Unrat hinauswarf und die Tür hinter ihm schloss.
Inzwischen hatte auch die Wirtin durch die Hintertür den Schankraum betreten und wandte sich vorwurfsvoll an die bleiche und völlig verstörte Tessa: »Wenn dein versoffener Vater noch einmal unsere Schänke betritt, dann kannst du dir eine neue Anstellung suchen, Tessa! Haben wir uns verstanden?«
»Ay, Ma’am.« Tessa nickte und machte einen Knicks. »Tut mir leid.«
»War das wirklich nötig?«, wandte sich Dr. Arbuthnot an den Wirt. »Der arme Kerl hat doch keinem was zuleide getan.«
»Eine verdammte Plage ist er«, knurrte Mr. Hornby und klatschte in die Hände, als wollte er sie sich säubern. »Der Gin hat ihm das letzte bisschen Verstand geraubt, und statt sich um seine Familie zu kümmern, versäuft er alles und bettelt wie ein Straßenköter. Vergrault uns die letzten Gäste!«
»Welchen Bischof meinte er?«, wollte Bess wissen.
»Ich weiß von keinem Bischof.« Der Wirt lachte höhnisch und deutete auf seine heruntergekommene Schänke. »Sieht das etwa so aus, als würden hier Bischöfe verkehren? Keine Ahnung, was der Trunkenbold sich wieder aus den Fingern gesogen hat. Nein, einen Bischof gibt’s nicht. Hat’s nie gegeben! Um an Schnaps zu kommen, denkt Milton sich die dreistesten Lügengeschichten aus.«
»Seinen Schnaps hatte er bereits von mir bekommen«, wandte Dr. Arbuthnot nachdenklich ein.
»Stimmt es, dass Mr. Milton die Leiche meines Mannes gefunden hat?«, fragte Bess, erhob sich und schaute abwechselnd Tessa und den Wirt an.
»Und wenn schon!«, fauchte Mr. Hornby und schaute Bess abschätzig, ja beinahe hasserfüllt an. »Habt Ihr nicht schon genug Schande über Euren Mann gebracht, Mistress Lyon? Lasst dem armen Kerl wenigstens im Tod seine Ruhe!« Mit diesen Worten verschwand der Wirt samt seiner Frau in einem Nebenraum, der vermutlich zu den Privatkammern der Schänke gehörte. Jedenfalls hing an der Tür ein Schild mit der Aufschrift: »Kein Zutritt«.
Bess schaute aus dem Fenster und erkannte, dass Mr. Milton mitten auf dem Weg nach Edgworth stand und nicht so recht zu wissen schien, in welche Richtung er gehen solle. Sie lief zur Tür und auf den Vorplatz hinaus, wobei sie dem orientierungslos wirkenden Mann durch Winken zu verstehen gab, dass er zurückkommen sollte. Doch Mr. Milton blieb wie angewurzelt stehen und schüttelte den Kopf. Er blutete aus der Nase und hatte eine üble Platzwunde über seiner linken Augenbraue.
Bess näherte sich ihm langsam und vorsichtig, wie einem geprügelten Hund, von dem man nicht weiß, ob er beißen wird, und stellte ihm schließlich die Frage, die sie auch dem Wirt gestellt hatte: »Welchen Bischof meintet Ihr, Mr. Milton?«
»Nicht jetzt«, antwortete der Mann und fuhr sich mit dem Ärmel seiner Joppe über die blutende Nase. »Und nicht hier.« Er deutete mit einer Kopfbewegung zur Schänke, und als Bess sich umwandte, sah sie den Wirt am Fenster stehen.
»Wann und wo?«, fragte sie.
»Kennt Ihr Piper’s Green?«
Bess nickte.
»Kommt nach Sonnenuntergang zur alten Ulme. Dort können wir sprechen.« Er räusperte sich umständlich und zog eine schiefe Grimasse. »Und es wäre wirklich nett, wenn Ihr mir … sozusagen als Dank für …« Statt den Satz zu beenden, räusperte er sich erneut und verstummte.
»Das wird sich machen lassen«, antwortete Bess, nickte ihm zu und ging zurück zum Inn. Der Wirt war nicht mehr zu sehen; dafür stand nun seine Frau am Fenster und beobachtete Bess misstrauisch und übellaunig.
Vor der Tür wartete Dr. Arbuthnot auf sie und fragte: »Habt Ihr etwas erfahren?«
Bess schüttelte
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