Gegen alle Zeit
Namen befand. Hinter den Namen waren ein oder mehrere Kreuze zu erkennen.
»Möchtest du in diese Liste aufgenommen werden, Joseph?«, fragte Mr. Wild mit seiner hohen Stimme und deutete auf den Namen von Blueskins Schulfreund, der mit einem Kreuz versehen war.
»Ay, Sir!«, sagte Blueskin. »Aber was bedeuten die Kreuze hinter den Namen?«
»Ein Kreuz bedeutet, du gehörst dazu«, antwortete Mr. Wild mit finsterem Gesicht, das von Narben nur so übersät war. »Zwei Kreuze, du bist raus.« Er deutete auf einen Namen, der mit einem Doppelkreuz versehen war. Es handelte sich um einen berüchtigten Wegelagerer, der erst vor wenigen Tagen am Galgen von Tyburn hingerichtet worden war.
»Zwei Kreuze, du bist tot«, murmelte Blueskin.
»Du sagst es, mein Junge!«, bestätigte Mr. Wild grinsend, schrieb seinen Namen in die Liste und machte ein Kreuz dahinter. »Jetzt gehörst du dazu! Und es gibt kein Zurück.«
Es dauerte fünf Jahre, bis Blueskin sein zweites Kreuz erhielt. Und weitere drei Jahre, bis Mr. Wild seine Drohung wahr machte und ihm das silberne Schwert über den blauen Schädel zog.
Blinder Gehorsam war für Blueskin kein Problem gewesen, solange er ein dummer und unerfahrener Bengel gewesen war, doch im Jahr 1719, mit neunzehn Jahren, hatte Blueskin keine Lust mehr, nur Befehlsempfänger und Laufbursche zu sein. Das Rauben und Stehlen bereitete ihm Freude, und er war einer der gefürchtetsten Straßenräuber Londons, auch weil er rücksichtsloser und brutaler vorging als der Rest der Bande. Doch Blueskin wollte sich nicht länger mit Almosen aus der Hand seines Meisters abspeisen lassen. Deshalb verließ er eines Tages Mr. Wilds Haus in der Chick Lane, wo er beinahe drei Jahre lang gelebt hatte, und schloss sich der erstbesten Räuberbande an, die nicht von Mr. Wild oder einem seiner Handlanger kontrolliert wurde. Dass er auf Dauer gegen den Generaldiebesfänger und seine allgegenwärtigen Spitzel und Informanten keine Chance hatte, hätte ihm eigentlich klar sein müssen. Doch er verdrängte die beiden Kreuze hinter seinem Namen und machte sich nur zu gern über seinen einstigen Herrn und Gebieter lustig. Bis dieser ihn im Dezember 1722 in seinem Versteck aufspürte und ihm, obwohl unbewaffnet und mit erhobenen Händen vor ihm stehend, die silberne Klinge über den Kopf zog, wo sie eine blutige Schneise vom Scheitel bis zum Ohr hinterließ.
Blueskin überlebte die schwere Verletzung, allerdings hatte er nicht die geringste Lust, anschließend am Galgen zu sterben. Deshalb bot er sich den Anklägern als Zeuge der Krone an, sagte umfassend gegen seine Kumpane aus und sorgte auf diese Weise dafür, dass sie allesamt am Galgen landeten. Doch wenn er gehofft hatte, anschließend als Dank auf freien Fuß gesetzt zu werden, so hatte er die Rechnung ohne Mr. Wild gemacht. Der ließ all seine Beziehungen spielen und veranlasste, dass Blueskin ins Wood Street Compter gebracht und dort, ohne richterliches Urteil, so lange festgehalten wurde, bis er sich kleinmütig bereit erklärte, wieder für Mr. Wild zu arbeiten. Als Spitzel und Verräter!
Mr. Wild schien einen Narren an Blueskin gefressen zu haben, vielleicht, weil er dessen Fähigkeiten als Räuber und Einbrecher schätzte oder weil er wegen seines Aussehens Mitleid mit ihm hatte. Vielleicht aber auch, weil sie sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich waren und Wild insgeheim Respekt für Blueskins direkte Art empfand. Beide waren sie überaus gewieft, skrupellos, gewalttätig und bis zur Trunkenheit von sich eingenommen. Wie Vater und Sohn.
Über ein Jahr lang sträubte sich Blueskin gegen das erpresserische Angebot von Mr. Wild. Sein Stolz verbot es ihm, klein beizugeben und als reuiger Sünder in die willenlose Herde von Gottvater Wild zurückzukehren. Den Hieb mit dem Schwert würde er ihm niemals verzeihen, und Blueskin schwor sich hoch und heilig, dass er es Mr. Wild heimzahlen würde. Auge um Auge! Wie in der Bibel.
Doch nachdem die erste Wut verraucht war und er Monate damit verbracht hatte, die verdreckten Wände seines winzigen Kerkers anzustarren, willigte er schließlich ein. Alles war besser, als wie ein Stück Vieh eingesperrt zu sein, und was zählte schon so eine mündliche Einwilligung? Blueskin würde Wege finden, sich aus der Umklammerung zu befreien, und Mr. Wild würde sehr bald bereuen, von seinem Grundsatz abgewichen zu sein, alle Doppelkreuze ins Jenseits zu befördern.
Als Spitzel sollte sich Blueskin zunächst um
Weitere Kostenlose Bücher