Gegen alle Zeit
du verstanden, was ich gesagt habe?«
»Joseph!«, lachte Hope. »Bleibst du auch hier?«
»Nicht so laut«, machte sich Geoff bemerkbar, der neben Mary stand und sich vorsichtig umschaute. »Der Schließer schaut schon.«
»Das ist Geoff«, erklärte Blueskin. »Er weiß, wie man hier herauskommt. Wir schaffen dich bald nach Hause.«
»Haus ist abgebrannt«, sagte Hope. »Aber ich war’s nicht.«
»Ich weiß«, erwiderte Blueskin nickend. »Ich weiß, dass du es nicht warst. Ich bring dich in Sicherheit und pass auf dich auf. Versprochen!«
»Mr. Wild passt auf mich auf«, sagte Hope und lächelte. »Er ist sehr nett.«
»Das ist er nicht«, widersprach Blueskin. »Er ist alles andere als nett.«
»Ist er wohl«, beharrte Hope.
»Was ist das?« Mary betrachtete staunend Geoffs Holzbein, fasste es vorsichtig an und lachte plötzlich schallend. Sie klopfte ans Holz, und nun fiel auch Hope in das alberne Lachen ein.
»Still!«, befahl Blueskin. »Begreifst du, was ich gesagt habe?«
»Ay«, sagte Hope. »Mary und ich bleiben.«
»Unsinn!«, entfuhr es Blueskin lauter, als er beabsichtigt hatte.
»Bleibst du auch?«, fragte sie.
»Du kannst nicht bleiben! Das lass ich nicht zu.«
Sie schaute ihn überrascht an, schob beleidigt die Unterlippe vor und sagte: »Doch! Ich bleibe bei Mary. Sie ist meine Freundin.«
Blueskin schaute hilfesuchend zu Geoff, doch der zuckte nur mit den Schultern und meinte: »Weibsbilder!«
»Bedlam ist nichts für dich«, unternahm Blueskin einen weiteren Versuch, doch erneut erntete er einen beleidigten und trotzigen Blick.
»Du bist blöd«, brummte Hope und kroch noch dichter an Mary, die ihre Freundin in die Arme nahm, als müsste sie sie vor ihrem Bruder beschützen.
»Das gibt’s doch gar nicht«, murmelte Blueskin, hob verzweifelt die Hände und starrte verständnislos auf die beiden Mädchen, die ihre Köpfe wie zwei Turteltauben zusammensteckten.
»Blueskin, lass uns gehen!«, sagte Geoff. »Jetzt!«
»Was ist mit Hope?«, fragte Blueskin.
»Lass sie und steh unauffällig auf!«, flüsterte Geoff eindringlich und machte eine Kopfbewegung zur Gitterwand hin. »Wir kriegen Besuch.«
Blueskin wandte langsam den Kopf und schaute in die gewiesene Richtung. Direkt hinter der Gittertür, im fahlen Lichtschein des Oberlichts in der Vorhalle, sah er einen drahtigen und athletischen Mann, dessen Anblick ihm einen Schauer über den Rücken jagte: James Sykes, besser bekannt als Hell and Fury! Mr. Wilds Spitzel und Mann fürs Hinterhältige. Er hielt einen Schlapphut in der einen Hand, einen langen Stab in der anderen und schaute in ihre Richtung.
»Mist!«, fluchte Blueskin und erhob sich.
»Und noch mal Mist!«, setzte Geoff hinzu und zog Blueskin beiseite. »Da kommt sein Gebieter.«
Auch Blueskin erkannte nun Mr. Wild, dessen kleine Gestalt sich mit wieselflinken Schritten vom Haupteingang näherte und neben Sykes stehen blieb. Er schaute ebenfalls in den Frauenflügel, doch statt, wie von Blueskin erwartet, einzutreten, wandten sie sich ab und gingen weiter. Blueskin atmete erleichtert auf. Doch ebenso plötzlich und überraschend blieb Mr. Wild stehen, schaute über die Schulter, als wäre ihm etwas entgangen, und trat erneut an die Gittertür.
»Geoffrey?«, rief er. »Was machst du denn hier?«
Blueskin trat unauffällig einige Schritte zur Seite und beugte sich über eine alte Frau, die reglos im Schneidersitz auf dem Boden saß und brabbelnde Geräusche von sich gab. Gleichzeitig ging sein Blick zu Hope. Wenn sie Mr. Wild sehen und zu sprechen beginnen würde, wäre es um Blueskin geschehen. Doch Hope und Mary waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie alles um sich herum zu vergessen schienen.
»Morgen, Sir!«, rief Geoff und humpelte eilig und geflissentlich zur Tür. »Ich besuche Miss Blake, wenn’s beliebt.«
Zunächst erschrak Blueskin über Geoffs vermeintliche Dummheit, doch dann begriff er, dass Geoff nur das zugab, was ohnehin offensichtlich war. Eine fadenscheinige Lüge wäre vermutlich dümmer oder verdächtiger gewesen.
»Es beliebt keineswegs«, knurrte Mr. Wild mit seiner unangenehm piepsigen Stimme, die Blueskin jedes Mal durch Mark und Bein ging. »Was willst du von Hope? Sie hat dich nicht zu kümmern.«
»Ihre Mutter schickt mich«, antwortete Geoff und machte einen Diener, was wegen des abgewinkelten Holzbeins ein wenig ungelenk und komisch aussah. »Sie will wissen, wie’s ihrer Tochter geht, traut sich aber selbst
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