Gegen alle Zeit
nicht her. Kann Verrückte nicht ausstehen, sagt sie. Und den Gestank auch nicht. Kann’s ihr nicht verdenken.« Er kicherte blöde und setzte unnütz hinzu: »Nay, Sir, kann ich nicht.«
Mr. Wild schob den irren Geoff, der sich direkt vor ihm aufgebaut hatte, zur Seite und schaute in den Frauentrakt. Sein Blick blieb für einen kurzen Moment an Blueskin haften, doch als die alte Frau am Boden nach dessen Hand griff und scheinbar vertraut auf ihn einbrabbelte, beachtete Mr. Wild ihn nicht weiter. Er setzte eine falsch lächelnde Visage auf und winkte Hope zu.
Doch Hope war nur mit sich beschäftigt und lachte, als Mary ihr etwas ins Ohr flüsterte. Braves Mädchen, dachte Blueskin und sah aus den Augenwinkeln, wie Mr. Wild mit seinem Silberschwert zum Ausgang wies.
»Raus mit dir, Geoff!«, befahl er. »Sag Jane, dass sie sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern und sich von Hope fernhalten soll. Ein für alle Mal!«
»Ay, Sir«, antwortete Geoff, machte erneut einen Buckel und humpelte durch die Tür. »Eigener Kram, jawohl, Sir! Und eigener Gestank. Werd’s ausrichten.«
»Von Gestank hab ich nichts gesagt, du Dummkopf!«, schrie Mr. Wild ihm nach.
»Natürlich nicht, Sir! Kein Gestank! Ein für alle Mal!«
Weg war er. Und mit ihm sein dummes Kichern.
Hell and Fury lachte schallend und machte eine verächtliche Miene. Doch Mr. Wild blieb noch eine Weile in der geöffneten Tür stehen und schaute sich suchend und misstrauisch um. Dann aber wandte er sich ab und gab Sykes ein Zeichen, ihm zu folgen. Der Schließer schloss die Tür und salutierte, als stünde ihm ein Vorgesetzter gegenüber. Statt jedoch hinüber zum Männerflügel zu gehen, näherte sich Mr. Wild einer Tür auf der Südseite der Vorhalle, genau in der Mitte zwischen Männer- und Frauentrakt, die Blueskin beim Betreten der Halle gar nicht aufgefallen war. Wie von Zauberhand öffnete sich diese Tür und schloss sich sogleich wieder. Hell and Fury blieb wie ein Wachmann der königlichen Garde vor der Tür stehen.
Blueskin stand immer noch über die brabbelnde Frau gebeugt und hatte Mühe, ihr seine Hand zu entziehen. Als die Frau plötzlich seinen Handrücken ableckte, stieß er sie angewidert beiseite und wandte sich an seine Schwester, die ihn überrascht anschaute, als hätte sie ihn gerade erst entdeckt.
»Ich komme wieder, Hope«, sagte er leise, ohne sich ihr zu sehr zu nähern und dadurch womöglich die Aufmerksamkeit von Hell and Fury zu erregen.
»Willst du auch zu Henry?«, fragte Hope.
»Henry?«, wunderte sich Blueskin. »Welcher Henry?«
»Unser Henry«, lachte Hope und schüttelte den Kopf, als zweifelte sie am Verstand ihres Bruders. »Und Bess natürlich. Die ist nämlich auch dabei.«
»Henry und Bess? Sie sind hier?«
Hope nickte und brummelte: »Mr. Wild ist gerade bei ihnen. Du magst Mr. Wild nicht, stimmt’s? Dabei ist er sehr nett. Es war unhöflich, nicht zu grüßen, aber ich dachte, du wirst sauer, wenn ich’s tu.« Sie schüttelte missfällig den Kopf und setzte hinzu: »Mr. Wild ist gar nicht so schlimm.«
»Ich komme wieder«, wiederholte Blueskin und streichelte im Vorbeigehen Hopes Pausbacke, stolz auf seine kleine, gescheite Schwester. »Und sag niemandem, dass ich hier war!«
»Auch nicht Mr. Wild?«
»Auch nicht Mr. Wild«, bestätigte Blueskin und verließ den Raum, wobei er einen kurzen Blick auf Hell and Fury warf, der nach wie vor ungerührt die Tür bewachte. Am Ausgang zeigte Blueskin sein Billett vor und ließ seine Nummer durchstreichen, dann trat er hinaus ins Freie.
Als er das düstere Gebäude verließ, blendete ihn die Sonne derart, dass er kaum etwas sah und in dem engen Kleid beinahe die Treppe hinuntergefallen wäre, wenn ihn nicht ein einbeiniger Bettler aufgefangen hätte.
»Das war knapp«, meinte Geoff und ließ offen, ob er den Beinahe-Sturz oder die Begegnung mit Mr. Wild meinte.
»Was befindet sich hinter dem Eingangsgebäude?«, fragte Blueskin und wies mit dem Finger nach Süden.
»Die Stadtmauer«, antwortete Geoff achselzuckend. »Und dazwischen ein schmaler Hof für die Verrückten. Wenn man sie denn rauslässt.«
»Sonst nichts?«
»Nur die Baustelle«, meinte Geoff und ließ sich von Blueskin das Billett geben. »Sie bauen einen neuen Flügel für die Unheilbaren, aber der ist noch nicht fertig. Wer da drin landet, bleibt für immer weggesperrt. Dann ist’s Essig mit den zwölf Monaten. Neumodische Sitten in Bedlam!« Sie hatten inzwischen den
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