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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Blueskin bei der Hand. Er zog ihn zur Seite, bis Blueskin etwas Steinernes, Halbrundes und Glitschiges zu fassen bekam. »Wir sind jetzt genau unter der Stadtmauer«, erklärte Geoff und klopfte auf das Mauerwerk, das eine zur Seite hin ansteigende Rinne oder Wanne bildete. »Diese Steine führen dich nach Bedlam. Aber sei vorsichtig, es ist sehr rutschig. Und tritt nicht aus Versehen auf eine Ratte, die Biester sind bissig.«
    Blueskin zog sich an der gemauerten Rinne hinauf, wobei ihm der Gestank den Atem nahm und er sich nicht vorstellen wollte, worin er gerade auf Händen und Knien herumkroch.
    »Den Rest schaffst du allein«, sagte Geoff. »Ohne mein Bein komm ich da nicht hoch. Bislang bin ich immer nur aus der anderen Richtung gekommen.« Er lachte und setzte hinzu: »Ist wie ’ne Rutschbahn.«
    »Danke, dass du mir geholfen hast.«
    »Hatte ich eine andere Wahl?«, brummte Geoff mürrisch. »Du hattest ziemlich zupackende Argumente, mein blauer Freund.« Er zog den Rotz hoch, spuckte ins Wasser und setzte nach einer kurzen, aber bedeutsamen Pause hinzu: »Na, soll mir recht sein, solange es nur Mr. Wild ärgert! Das wird es doch, oder?«
    »Ay, das hoffe ich«, antwortete Blueskin, obwohl er sich seiner Sache gar nicht so sicher war. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was Mr. Wild mit Bess und Henry zu schaffen hatte und was er mit ihnen vorhatte. Aber die Tatsache, dass er zunächst Bess in der Chick Lane eingesperrt und anschließend sie und Henry nach Bedlam geschafft hatte, sprach dafür, dass sie für den Diebesfänger eine besondere Rolle spielten. Dass er etwas von ihnen wollte. Sonst hätte er sie einfach ins Newgate gesteckt oder gleich um die Ecke gebracht, wie es sonst seine Art war.
    »Das hoffe ich«, wiederholte Blueskin und wollte bereits die Rinne hinaufklettern, als ihm plötzlich etwas einfiel und er sich zu Geoff umwandte. »Warum hat er es eigentlich getan?«, fragte er.
    »Wer hat was getan?«, antwortete Geoff verwirrt.
    »Warum hat Mr. Wild dich damals verstümmelt?«
    »Ach, Gott!« Ein langer und tiefer Seufzer folgte. Geoff schien eine Weile zu überlegen und sagte dann: »So macht man das eben mit den Überbringern schlechter Nachrichten. Man macht sie für den Inhalt der Nachricht verantwortlich.«
    »Welche Nachricht meinst du?«
    »Erinnerst du dich an Mary Milliner?«
    »Mr. Wilds Hure?«
    »Seine bessere Hälfte«, verbesserte Geoff. »Die Frau seines Lebens. Das war sie jedenfalls, bis ich mich verplappert hab.«
    Blueskin erinnerte sich sehr wohl an Mary Milliner. Die hübsche Mary. Sie war so etwas wie Mr. Wilds weiblicher Schatten gewesen. Die graue Eminenz von Wild’s House. Die heimliche Herrin in seinem verbrecherischen Reich, das sie angeblich gemeinsam aufgebaut hatten. Anfangs als Hure und Zuhälter. Später dann als nahezu gleichberechtigtes Paar. Sie als Kupplerin, er als Hehler und Diebesfänger. Bis man eines Tages ihre Leiche – und die ihres hübschen Liebhabers – aus dem Fleet gefischt hatte. An der gleichen Stelle, an der kurz zuvor Geoffs Unterschenkel gelandet war.
    » Du hast Mr. Wild erzählt, dass Mary ihm Hörner aufsetzt?«, entfuhr es Blueskin. »Wie konntest du so dämlich sein?«
    »Ist mir so rausgerutscht«, murmelte Geoff kleinlaut. »Ständig wollten sie lustige und verrückte Geschichten von mir hören, da hab ich’s eben ausgeplaudert.«
    »Hast es teuer bezahlt«, meinte Blueskin und stutzte plötzlich. »Aber warum hat Mr. Wild dann plötzlich seine Meinung geändert? Wieso hält er jetzt seine Hand schützend über dich und lässt dich in Ruhe, obwohl du ständig über ihn zeterst?«
    »Mein Bein hab ich verloren, weil er mich für einen Lügner und Verleumder gehalten hat«, antwortete Geoff mit bitterem Lachen. »Und mein Holzbein hab ich geschenkt bekommen, weil ich eben kein Lügner und Verleumder war. Sondern nur ein Narr!«
    Blueskin dachte einen Augenblick über Geoffs letzten Satz nach und sagte dann: »Du bist vielleicht ein Narr, aber deswegen noch kein Dummkopf.«
    »Sag das mal meinem Sohn!«, lachte Geoff und ließ sich ins Wasser gleiten.
    »Du hast einen Sohn?«, wunderte sich Blueskin. Davon hatte er noch nie etwas gehört. Auch eine Mrs. Ingram war ihm unbekannt. Er fragte: »Wo ist er?«
    »Will nichts mehr mit mir zu tun haben«, antwortete Geoff. »Jeremiah ist jetzt ’n feiner Pinkel in Westminster. Hat ein schickes Kaffeehaus an der Piccadilly und hält sich für was Besseres. Sein alter verrückter

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