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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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oder kacken in die Ecke. Und mich werden sie bestimmt nicht dorthin lassen. Sie haben mich und Henry von allem ferngehalten, als hätten wir die verdammte Pest. Wir dürfen nicht einmal in den Hof. Außerdem haben sie mir Handschellen und Fußfesseln angelegt. Vergiss es, Blueskin!«
    »Du musst zur Latrine, Bess!«, wiederholte Blueskin mit Nachdruck. »Das ist die schwache Stelle dieser Festung. Es gibt keinen anderen Weg hinaus.«
    »Du sagst es«, meinte Bess resigniert. »Es gibt keinen anderen Weg.«
    Blueskin ahnte, dass sie recht hatte. Für den irren Geoff war es ein Einfaches gewesen, sich über den Hof in die Latrine zu stehlen und dort in den Untergrund abzutauchen, weil man ihn nicht auf Schritt und Tritt bewacht hatte. Er galt nicht als gefährlich, war dementsprechend nicht angekettet und durfte sich an Besuchstagen im Hof relativ frei bewegen. Nur eine einzige Tür mit einem lächerlichen Schnappschloss trennte ihn von der Freiheit. Für Bess hingegen sah die Sache ganz anders aus: Sie war die Privatgefangene von Mr. Wild und wurde gehütet wie sein Augapfel. Aus dem Beichtstuhl in der Chick Lane war sie auf beinahe wunderliche Weise entkommen, doch noch einmal würde sie nicht solch ein unverschämtes Glück haben. Dafür würde Mr. Wild schon sorgen. Auch wenn die Wärter ihrer Aufgabe im Moment ein wenig nachlässig nachgingen.
    »Blueskin?«, wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
    »Hm?«
    »Hast du Jack gesehen?«
    »Nein, wieso?«
    »Halt dich von ihm fern, wenn dir dein Leben lieb ist!«
    »Was soll das jetzt wieder heißen?«
    »Er und William Page haben die Seiten gewechselt. Jack ist jetzt einer von Mr. Wilds Leuten.«
    Diesmal war es Blueskin, der zunächst verstummte und dann laut rief: »Nein! Halt dein Maul!«
    »Jack hat uns verraten, Blueskin«, sagte Bess seelenruhig, aber sehr bestimmt. »Er hat Henry und mich an Mr. Wild verkauft. Er hat direkt vor mir gestanden und mir dabei ins Gesicht gelacht! Und vermutlich bist du als Nächster an der Reihe.«
    »Unfug!«, meinte Blueskin, dem das Ganze so absurd erschien, dass er es nicht für nötig hielt, auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken. »Jack doch nicht! Er würde niemals für Mr. Wild arbeiten. Jack ist kein Verräter! Nie und nimmer. Du bist nur sauer, weil er dich verlassen hat und jetzt mit Kate zusammen ist. Du bist eifersüchtig, das ist alles.«
    »Was kümmert mich denn Kate? Es geht hier nicht um irgendwelche Weibsbilder, mit denen Jack sich rumtreibt«, antwortete Bess, und ihre Stimme klang eher traurig als wütend. »Nein, Jack hat sich bei Mr. Wild einen Freischein erkauft. Er hat uns alle ans Messer geliefert. Was meinst du, warum wir in Bedlam sitzen? Und wieso das Haus in der Dirty Lane abgebrannt ist?«
    »Mr. Wilds Leute haben es angezündet.«
    »Eben«, antwortete Bess. »Aber woher wussten sie davon? Henry war in der Dirty Lane, als es gebrannt hat. Und was meinst du, wem er dort begegnet ist?«
    »Du lügst, du dreckige Hure!«, platzte es aus ihm heraus.
    »Wenn dir das lieber ist«, war alles, was sie darauf erwiderte. »Du wirst schon sehen, was du davon hast.«
    »Halt dein verlogenes Maul!«, schrie er sie an und bereute postwendend seinen Ausbruch. Vom Hauptgebäude her nahm er leise Stimmen und ein schlurfendes Geräusch wahr. Schritte näherten sich vom Männertrakt, und schließlich sah Blueskin zwei Gestalten in dem winzigen Hinterhof zwischen dem Anbau und der Westmauer.
    »Glaubst du, ich bin taub?«, sagte eine Männerstimme. »Da war was.«
    »Was soll denn da gewesen sein, Seamus?«, antwortete eine zweite Stimme. »Wahrscheinlich schnarcht die verdammte Hure wieder wie ein Pferd. Lass uns reingehen, mir ist kalt. Außerdem hatte ich ein formidables Blatt.«
    »Die Whist-Karten müssen warten. Wir hätten unseren Posten gar nicht erst verlassen dürfen. Mr. Wild wird uns die Hölle heißmachen.«
    Blitzschnell zog sich Blueskin an dem Seil hoch, hangelte sich über die Traufe und legte sich flach auf den Dachboden. Und im selben Augenblick erschallte unter ihm ein lautes und inbrünstiges Schnarchen, als schliefe Bess mit der Nase an der Scharte.
    »Hab ich’s doch gewusst!«, sagte der zweite Wächter. »Wie ein Pferd!«
    »Das war kein Schnarchen, Bernie, sondern ein Schrei!«, beharrte der Mann namens Seamus. »Und er kam nicht von einer Frau.«
    »Wenn wir wegen jedem Schrei so ein Gewese machen würden, hätten wir die ganze Nacht nichts anderes zu tun. Schließlich ist

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